Sa. Apr 27th, 2024

Niemand, der um Aufklärung bemüht ist, wird sich gegen das Entlarven von Desinformation stemmen. Doch dieser Herr oder diese Frau Niemand dürfte skeptisch werden, wenn sich die erklärte Absicht, Desinformation zu entlarven, selbst als Desinformation erweist. Einen entsprechenden Eindruck hinterlässt die Webseite euvsdisinfo.eu, ein Gemeinschaftsprojekt von EU und Nato.

Der EU-Korrespondent Eric Bonse veröffentlichte 2021 im Auftrag des Instituts für Medienverantwortung eine Studie über das Vorhaben der beiden Bündnisse, gegen Desinformation vorzugehen (medien-meinungen.de). 2015 entstand die Taskforce Stratcom East, die den Begriff Desinformation auf russische Propaganda zuschnitt. Sie ist dem Brüsseler Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) unterstellt. Bonse berichtet, dass Briten und Balten ein besonderes Interesse an der Gründung dieser seltsamen Taskforce hatten. Vertreter Italiens und Deutschlands waren skeptisch.

Stratcom steht für Strategische Kommunikation – klingt militärisch und ist es auch. Das Verhältnis zur Wahrheit wird taktisch. Eigentlich sollte das Entlarven von Propaganda eine journalistische Aufgabe darstellen und nicht eine, wo unter Umständen Militärs mitmischen, beispielsweise die Nato-PR-Abteilung Centre of Excellence on Strategic Communication in Riga. Einen Überblick über die Schlagzeilen von EUvsDisinfo verdeutlicht, dass nicht Aufklärung, sondern Sieg im Informationskrieg die unbekannten AutorInnen dieses Webauftritts beflügelt. Eine kleine Blütenlese:

INS HERZ DER FINSTERNIS – WAS RUSSLAND IN DER UKRAINE WILL

RUSSISCHE KULTUR-SONDEROPERATION | OFFENSIVE

DIE DESINFORMATIONSFLUT DES KREMLS KANN DIE WAHRHEIT NICHT WEGSCHWEMMEN

DER KREML VERSUCHT WELTWEIT, DAS DENKEN ZU VERGIFTEN

DER KRIEG GEGEN RUSSLAND WIRD AN ALLEN FRONTEN GEFÜHRT

„FRIEDEN“ IM DIENST DES KRIEGES

Fast nirgends findet sich der Hinweis auf Urheber solcher Texte mit klarer Ansage, wenn doch, wie beim Artikel Russische Sonderoperation Offensive von Haska Shyyan, lautet der Zusatz: “Dieser Beitrag gibt nicht den offiziellen Standpunkt des EAD wieder. Der EAD kann nicht für die Verwendung der in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen verantwortlich gemacht werden.” Das Pilatus-Prinzip: Russische Kultur auf Imperialismus und Kolonialismus zu reduzieren kommt zwar zupass, aber der EAD wäscht sich die Hände in Unschuld. Laut Bonse bezieht EUvsDisinfo seine Informationen von “spezialisierten Journalisten, Bloggern und Experten in Ost- und Südeuropa”. Der Tunnelblick ist entsprechend.

Nach dem Motto, Desinformation und Propaganda sind bestimmende Merkmale alles Russischen, wird gewarnt und enttarnt – oftmals gegen Don Quichotes Windmühlenflügel. So gilt Russland als der große Manipulator westlicher Wahlen. Vor den letzten EU- und Bundestagswahlen erhob die EAD entsprechenden Alarm; doch alles erwies sich als heiße Luft; Belege blieben aus. Dennoch übernehmen Leitmedien die Berichte strategischer Kommunikation: “Die Medien, die über die `bösartigen` russischen Aktivitäten berichten, müssen sich auf Meldungen aus Brüssel verlassen; eine kritische Prüfung oder Berichterstattung findet kaum statt,” schreibt Bonse. Als Beispiel nennt er den Spiegel, der im Bundestagswahlkampf 2021 darstellen wollte, weshalb Deutschland “Topziel für russische Fakenews” sei. Das deutsche Leitmedium bezog sich auf einen EUvsDisinfo-Artikel, nachdem ein Einsatz der Berliner Polizei für Fake-News-Verbreitung in Deutschland benutzt werde. Doch in Deutschland wurde darüber in keinem Medium, auch nicht in den deutschsprachigen Ausgaben der russischen Medien RT oder Sputnik, irgendetwas verlautbart.

EUvsDisinfo betreibt seine Webseite in zwölf Sprachen. Der Stil ist geprägt von Begriffen wie russische Desinformation, toxische Unwahrheit, Wahrheit verschleiern, Russland erscheint als eine einzige “Trickkiste der Manipulatoren: Täuschen, Leugnen und Ablenken” (euvsdesinfo.eu).

Betont wird, dass der russische Angriff auf die Ukraine “grundlos” erfolgt sei. Offenbar war er eine fixe Idee aus heiterem Himmel oder eine plötzliche, genetisch bedingte Psychose des “Kreml-Führers”. Jeder militärische Angriff ist ein Verbrechen, ihn allerdings als grundlos darzustellen, entlastet jene, die ihn mitschürten, durch Nato-Osterweiterung und Unterstützung des ukrainischen Nationalismus. Dass diese Kritik von Nato-Kritikern als russische Propaganda und Putin-Versteherei geframt wird, ist ein Erfolg dieser EU/Nato-Propaganda und jener Leitmedien, die in ihrem Fahrwasser schwimmen. Hier geht es nicht um Aufklärung, sondern um die Verbreitung des Nato-Narrativs und die Diffamierung aller, die es kritisch hinterfragen, die die blinde Gefolgschaft zur ukrainischen Regierung nicht mittragen, die gegen Waffenlieferungen sind, Diplomatie und Verhandlungsbereitschaft fordern.

Ein Resumee aus einem EUvsDisinfo-Artikel…

“Das Vorhersagen des Niedergangs anderer oder das Verunglimpfen von Gegnern ist eine reflexartige Reaktion des Kreml, um die Aufmerksamkeit von innenpolitischen Problemen wie dem nicht erreichten schnellen Sieg sowie den steigenden Opferzahlen in der Ukraine abzulenken.” (euvsdisinfo.eu).

… ließe sich kaum verändert gegen den Schreiber wenden:

Das Vorhersagen des Niedergangs anderer oder das Verunglimpfen von Gegnern ist eine reflexartige Reaktion des Westens, um die Aufmerksamkeit von innenpolitischen Problemen wie dem nicht erreichten schnellen Sieg sowie den steigenden Opferzahlen in der Ukraine abzulenken.

Ein Gedanke zu „“euvsdisinfo.eu”: Geschwafel für den Nato-Stammtisch“
  1. Der Angriff auf die Ukraine war sicher nicht grundlos. Dies ist sicher auch Kritikern dieses Angriffes bewußt, und jeder der halbwegs mal mit Militär zu tun hatte, kann sich vorstellen, wofür einem Rußland der Besitz der Ukraine hilfreich sein kann. Daher ging es sicher bei dem Angriff auch nicht um Gefühlsmäßigkeiten oder gekränkte Eitelkeiten des Kremlchefs. Man muß bedenken, daß mehrfach aus dem Kreml nahestehenden Kreisen sogar ein Atomangriff gefordert wird, um zumindest Teile des deutschen Staatsgebietes einer zu restituierenden Sowjetunion einzuverleiben – also aggressiv expansionistische Absichten gibt es sicher, insbesondere da Lawrow ja kürzlich noch festgestellt hat, daß es Friedensverhandlungen nur om Rahmen einer russisch-chinesisch dominierten neuen Weltordnung geben kann.
    Auch linksradikale Kreise in Deutschland formulieren das so, daß eben eine solche Weltordnung anzustreben sei und Amerika sich bestenfalls im Falle der Nicht-Auslöschung mit dieser neuen Weltordnung abzufinden habe.
    Die Ukraine ist hier sicher aus verschiedenen Aspekten für den Aggressor interessant, denn für einen wirksamen Angriff auf Nato-Territorium ist eine Flottenpräsenz im schwarzen Meer sicher hilfreich. Man kann auch die Angriffsbasis flächenmäßig vergrößern und kann Teile des Natoterritoriums in die Zange nehmen.
    Weiterhin hat man von der Ukraine aus auch eine Basis, um zu den Ölfeldern des Orients vorzudringen.
    Zudem besitzt die Ukraine alles, was man braucht, um eine schlagkräftige Armee mit Energie und Nahrungsmitteln zu versorgen.
    Auch aus den Gewinnen von den Verkäufen aus den Reserven der Ukraine kann man Material kaufen, um eine schlagkräftige Armee auszurüsten.
    Wer die Nahrungsreserven der Ukraine besitzt, hat auch die Macht, die halbe Welt zu erpressen bzw. kann Preise beliebig treiben. Kann das sein, daß der Kremlchef da auch wie ein Geschäftsmann gedacht haben könnte? Bei den meisten Kriegen geht es ja nicht um Moral, sondern um wirtschaftliche Vormachtstellungen – und damit eben einfach nur um den schnöden Mammon!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Translate »