Fr. Mai 3rd, 2024
“Ein Buch für die Massen” – Lehrbücher für Russisch werden zukünftig aus lettischen Schulen verbannt, Foto: Gemeinfrei, Link

Die lettischen “Reformen” der letzten Jahre zielten auf die Abschaffung der Unterrichtssprache Russisch an den Minderheitenschulen. Doch nun geht es Russisch auch als Lehrfach an den Kragen. Der Gesetzgeber sieht vor, ab 2026 das Fach Russisch an den staatlichen Schulen nach und nach abzuschaffen.

Wie in den meisten Ländern Europas ist Englisch mittlerweile erste Fremdsprache im staatlichen Bildungsprogramm. Bislang folgt als Zweitsprache, die ab dem 4. Schuljahr angeboten wird, überwiegend Russisch, das deutlich mehr gelehrt wird als andere Sprachen. An fast der Hälfte aller lettischen Grundschulen (die neun Schuljahre umfasst), wird nur Russisch als Zweitsprache angeboten. An den zirka 650 staatlichen Schulen Lettlands unterrichten 2659 Lehrer Englisch, 1183 Russisch, 562 Deutsch, 88 Französisch, 26 Spanisch, 6 Italienisch und 3 Norwegisch (Stand April 2024). Doch Russischlehrern droht in Zukunft die Erwerbslosigkeit, da die Sprache des sogenannten “Aggressorstaats” im lettischen Bildungssystem nicht mehr erwünscht ist. Zukünftig sind nur noch Sprachen der EU und mit ihr assoziierter Länder erlaubt. Dafür werden etwa 300 neue Lehrkräfte benötigt.

Bildungsministerin Anda Caksa hofft auf Unterstützung der deutschsprachigen Länder. Vor allem die Sprache Deutsch soll Russisch ersetzen. Der deutsche Botschafter Christian Heldt hat Unterstützung zugesagt. Gegenüber LSM gab er zu bedenken, dass sich ein Hochschuldiplom als Deutschlehrer nicht in zwei Jahren erwerben lasse. Das sei sowohl von der sprachlichen als auch von der pädagogischen Seite betrachtet ein anspruchsvolles Studium. Heldt sucht Pädagogen, die Deutsch verstehen, die Sprache aber noch nicht als Fach unterrichtet haben, ebenso Menschen, die die deutsche Sprache sehr gut beherrschen, aber denen pädagogische Kenntnisse fehlen. Das Goethe-Institut soll innerhalb von drei Jahren 90 Deutschlehrer für lettische Schulen ausbilden. Auch die österreichische Botschafterin Bernadette Klösch sagte die Unterstützung ihres Landes zu, verwies aber auf die begrenzten Kapazitäten der Alpenrepublik. Auch Österreich will sich um die Ausbildung von Deutschlehrern kümmern. Zudem erwägt Klösch, in Lettland Sprachassistenten zu finanzieren. (lsm.lv)

Martin Michelet, der Schweizer Botschafter in Riga, bietet ebenfalls Kooperation an: Die Schweiz sei ein Land mit vier Amtssprachen; er und seine Landsleute verständigten sich auf Deutsch, Französisch und Italienisch. Die Schweizer seien “sehr interessiert” daran, dass Lettland diese Reform erfolgreich durchführe, “sehr erfreut” darüber, helfen zu können und sie möchten deshalb mit lettischen Bevollmächtigten alle Möglichkeiten besprechen. Es ist aufschlussreich, dass der Vertreter eines Landes mit vier Amtssprachen sich an der lettischen Assimilierungspolitik beteiligt, die die Sprache der mit Abstand größten ethnischen Minderheit aus dem Lehrplan verbannt. Etwa eine halbe Million Einwohner Lettlands, fast ein Viertel der Bevölkerung, ist immer noch russischsprachig.

LSM-Reporterin Vita Anstrate besuchte eine staatliche Mittelschule in Jelgava, die sich auf Technik spezialisiert hat. Dort wird mittlerweile Französisch angeboten. Es soll Russisch zukünftig als obligatorische Zweitsprache ersetzen. Die Schulleiterin hofft auf das Verständnis der Russischlehrer, die in den nächsten Jahren die verbliebenen Schüler bis zum Ende weiter unterrichten sollen. Anstrate erfuhr in Interviews mit Eltern, dass sie Russischunterricht für nützlicher halten als Französisch oder Deutsch.

Sarmite Sneidere ist (noch) als Russischlehrerin in Jelgava beschäftigt. Sie erläuterte gegenüber LSM die Situation: “Der überwiegende Teil hat Russisch gewählt. In einer Klasse entschieden sich alle Kinder für Russisch. Wir haben ergänzend Französisch und Deutsch, doch die Kinder möchten weiterhin Russisch wählen. Jene, die es jetzt lernen, werden es absolvieren können. Aber jenen, die in drei Jahren anfangen, werden nur die Sprachen der EU angeboten. In Lettland gibt es viele russischsprachige Menschen. Nun ja, deutschsprachige weniger und französischsprachige noch weniger.” (lsm.lv)

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