Mo. Okt 14th, 2024
Shahed-Drohnen auf einer Parade in Teheran, Foto: Tasnim News Agency, CC BY 4.0, Link

Am frühen Morgen des 7. Septembers 2024 fand man in der Nähe des ostlettischen Dorfs Gaigalava im Kreis Rezekne ein abgestürztes Flugobjekt. Es stellte sich heraus, dass es sich um eine Shahed-Drohne handelte, die das russische Militär einsetzt. Sie ging über unbewohntes Gebiet nieder, so dass niemand verletzt wurde. Nachforschungen der lettischen Behörden ergaben, dass die pilotlose Maschine von Belarus aus in den lettischen Luftraum eingedrungen war. Sie hatte Sprengstoff geladen.

Janis Sarts, Leiter des Rigaer Stratcom-Zentrale der NATO, spekulierte sogleich über feindliche russische Absichten. Seiner Auffassung nach sei diese Drohne keine Überraschung gewesen. Russland habe in den letzten Monaten seine Hybrid-Operationen im Westen verstärkt, organisiere Sabotage, nehme Einfluss, mische sich in Wahlen ein. “Eine Drohne in der Zeit des Manövers `Namejs` in den lettischen Luftraum zu lassen, entspricht diesem Kurs,” meinte Sarts einen Tag nach dem Absturz (lsm.lv). Nach Aussagen Leonids Kalnins hingegen, Kommandeur der lettischen Armee, erreichte die Drohne lettisches Territorium nicht in feindlicher Absicht. Die Ermittlungen ergaben, dass die Steuerung dieser Waffe defekt war (lsm.lv). Solche Shahed-Drohnen werden im Iran hergestellt und von der russischen Armee gekauft. Sie gelten als vergleichsweise simples Produkt. Nach dem Start lässt sich eine Drohne dieser Bauart nicht mehr lenken.

Am 9. September bestellte das lettische Außenministerium Dmitrij Kasatkin ein, der kommissarisch die russische Botschaft in Riga leitet (lsm.lv). Die lettische Regierung überreichte ihm eine Protestnote. Kasatkin zeigte sich nicht informiert. Nach dem kurzen Treffen im Außenministerium blieb der Diplomat bei seiner Auffassung, dass die Drohne nichtrussischer Herkunft sei. “Wir haben diese Frage besprochen. Das Ergebnis ist, dass wir alles von lettischer Seite Gesagte analysieren müssen, man muss alles untersuchen, was uns mitgeteilt wurde.” Das lettische Außenministerium nannte den Drohnen-Crash einen “präzedenzlosen” Vorfall, informierte die NATO und die EU.

Solche Zwischenfälle kommen allerdings häufiger vor. Laut LSM startete die russische Armee am 26. August einen massiven Drohnenangriff auf die Ukraine. Polnische Behörden bemerkten damals ein nicht identifizierbares Flugobjekt in ihrem Luftraum und gingen davon aus, dass es sich um eine Drohne handelte. In Rumänien wurden mehrmals Wrackteile von russischen Drohnen entdeckt. Für Andris Spruds, lettischer Verteidigungsminister, ist der Drohnen-Irrflug ein weiteres Argument für Aufrüstung und Abschottung: “Diese Situation ist wie eine Bestätigung, dass wir die begonnenen Arbeiten zur Verstärkung der Ostgrenze fortsetzen müssen, dazu gehört die Entwicklung von Flugabwehrkapazität und die Fähigkeit zur elektronischen Kriegsführung, die es ermöglicht, die Wirkung verschiedener benutzter pilotloser Fluggeräte zu begrenzen,” meinte der Minister (lsm.lv).

Solche Zwischenfälle steigern die Gefahr, dass weitere Länder in den Krieg verwickelt werden. Sie könnten sogar einen Atomkrieg auslösen. Während des Kalten Krieges stand die Menschheit nicht nur während der Kuba-Krise kurz vor ihrer Auslöschung. Am 26. September 1983 wäre sie beinahe zufällig vernichtet worden, weil die sowjetische Luftüberwachung die Meldung erhielt, dass US-Atomraketen im Anflug seien, was sich als Fehlalarm aufgrund eines technischen Fehlers herausstellte. Der wachhabende Offizier Stanislaw Petrow hatte dem Alarm misstraut und auf den Befehl zum Gegenschlag verzichtet. Damit verhinderte er einen zufällig ausgelösten Atomkrieg.

Doch nicht nur die russische Armee hat ihre Waffen nicht im Griff. Als am 15. November 2022 im polnischen Przewodow in der Nähe der ukrainischen Grenze eine Luftabwehrrakete einschlug und zwei Menschen tötete, stand für einige Journalisten und Politiker der Schuldige schnell fest: Die Waffe war russischer Bauart und Russland schien verantwortlich. Zunächst schien die NATO kurz vor dem Bündnisfall zu stehen, bis Joe Biden erklärte, dass es “unwahrscheinlich” sei, dass die Rakete von der russischen Armee abgefeuert worden war. Dennoch hielt die ukrainische Regierung an ihrer Auffassung fest, dass Russland verantwortlich sei. Polnische Ermittlungen widerlegten die ukrainischen Behauptungen (zdf.de).

Die Gefahr, dass der Krieg weiter eskaliert und vielleicht sogar in nuklearer Verwüstung endet, scheint in der westlichen Öffentlichkeit wenig präsent. Journalisten und Politiker stellen entsprechende Drohungen Wladimir Putins oft als Bluff dar. Viele begrüßen es, wenn die ukrainische Armee Waffen von NATO-Staaten erhält, mit denen sie russisches Territorium treffen kann. Warnungen vor einem solchen Szenario werden als lumpenpazifistische Duckmäuserei aus dem Diskurs verbannt. Scott Ritter, einstiger UN-Inspektor, der von Anfang an bezweifelte, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besaß, mit denen die USA ihren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf das Land rechtfertigt hatten, meint, dass die Menschheit am 13. September 2024 erneut ihrer nuklearen Vernichtung entgangen sei. Die britische Regierung hatte der Ukraine grünes Licht gegeben, Storm-Shadow-Marschflugkörper auch gegen Ziele in Russland einzusetzen. Doch Joe Biden habe eine Warnung aus Moskau erhalten und seine Zustimmung versagt. Laut Ritter entkam die Menschheit im Atomzeitalter wieder einmal knapp ihrer Vernichtung. Seiner Ansicht nach wäre ein ukrainischer Raketenangriff mit der Zerstörung Kiews beantwortet worden. Danach hätten die Militärs zu Atomwaffen gegriffen: “72 Minuten genügen für die totale Zerstörung des Planeten. Versteht ihr das? Ihr wäret dieses Wochenende fast gestorben. Ich mache keine Witze. […] Nach 72 Minuten sind wir alle tot. Was wollt ihr dagegen tun?” (youtube.de)

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