Sa. Mai 4th, 2024

Die Johanniskirche in Aizpute – Sagen und Geschichten

von Dr. Peter Bock/Deutschland

Im September des Jahres 2017 befand sich der Autor daselbst zu einem einwöchigen Besuch in Lettland. Es war durchgehend sonniges Wetter und auf dem Besichtigungsprogramm standen Orte wie Ventspils, Piltene, Kuldiga, Lierpaja und nicht zu vergessen auch sogar mehrfach Aizpute.

Im Jahre 2022 gelangte der Autor in den Besitz der einzigen noch existierenden Dokumentation über die Geschichte von Aizpute, das als deutsche Gründung auch den Namen Hasenpoth oder Hasenpott trägt. In Erinnerung an den Aufenhalt in Lettland entstand dann dieser Artikel.

Die heute evangelische Johanniskirche in Aizpute an der Tebber ist ein Ort mit einer wechselvollen Geschichte. Im Hochmittelalter wurde sie auf dem Burgplatz einer kurischen Burg errichtet, nachdem das Land vom Deutschen Orden in Besitz genommen worden war und der Burgberg dem Bischof zugeteilt wurde. Das Kurland wechselte mehrfach den Besitzer und die nationale Zugehörigkeit und gehörte vorübergehend auch zu Polen. Zur Zeit der Reformation wurde das Kurland lutherisch protestantisch. Das Zarenreich tolerierte ein protestantisches Gemeindeleben, ebenso die deutschen Besatzer im 2. Weltkrieg. Nach der Einverleibung des Baltikums in das Sowjetimperium änderte sich dies und das Gemeindeleben wurde heimlich fortgeführt. Es kam aber zu einem Nachwuchsmangel bei den Geistlichen. Nach der Unabhängigkeit Lettlands erwachte das Gemeindeleben wieder, aber es richtete sich durch Kontakte nach Schweden und in die Schweiz zusehends zum reformierten Glauben aus. Auch andere Glaubensgemeinschaften gewannen zunehmend an Bedeutung.

Obwohl Kurland im Hochmittelalter christianisiert und später im 16. Jahrhundert protestantisch wurde, hielten sich noch sehr lange in der lettischen Bevölkerung zahlreiche Bräuche, die eher als abergläubisch zu bezeichnen sind. So wurden Totengeister bewirtet, es gab Wahrsagerei, aber auch katholische Bräuche wie die Verehrung von Bildnissen wurden praktiziert. Verständlicherweise wurden diese Bräuche von den evangelischen Pfarrern nicht positiv goutiert.

Um diese Kirche ranken sich natürlich auch Sagen und Legenden aber auch eine traurige wahre Geschichte:

Die traurigen Nonnen

In 16. Jahrhundert befand sich ein Benediktinerinnenkloster, das der heiligen Clara geweiht war, unterhalb des Burgberges in der Ortschaft. Das Kloster hatte nicht einmal ein Jahrhundert Bestand.

In Aizpute soll es einen unterirdischen Gang gegeben haben, der die Burg, die Kirche und das Kloster miteinander verbunden haben soll. Dieser Gang wurde von den Rittern der Burg genutzt, um die Nonnen zum nächtlichen Stelldichein zu treffen. Die gestrenge Oberin des Klosters bekam aber eines Tages Kunde von dem nächtlichen Treiben der Nonnen. Sie ließ den Gang zuschütten. Die Nonnen so ihrer Liebhaber beraubt sollen gar bitterlich geweint haben – so sehr, dass aus den Tränen der Nonnen eine Quelle wurde.

Es fließt aber in Aizpute tatsächlich das Wasser einer kleinen Quelle in die Tebber, von deren Entstehung man sich noch heute erzählt, dass ihr Wasser aus den Tränen der Nonnen bestünde.

Auch über den Gang erzählt man sich heute noch in Aizpute, wobei allerdings es bisher keine archäologischen Beweise über seine tatsächliche Existenz gibt.

Der betrunkene Fürst

Letzter Inhaber der Burg Pilten war Herzog Magnus. Die Burg war lange Zeit Bischofsresidenz und Vogtei. Nach Herzog Magnus verfiel die Burg im 17. Jahrhundert.

Der Herzog soll an Arbeitstagen auf der Burg gewesen sein, aber an Feiertagen suchte er die Kirche in Hasenpoth auf. Er soll in seinen letzten Jahren ein starker Trinker gewesen sein, der alle seine Gäste zum gemeinsamen Trinken genötigt haben soll.

Der verschollene Pastor

Lettland fiel in das Interessengebiet der Sowjetunion und wurde in den Jahren 1940/41 von der Sowjetunion in Besitz genommen.

Während des Weihnachtsgottesdienstes 1940 wurde der Pastor von den Besatzern gefangen genommen und wohl nach Sibirien verschleppt. Man sah ihn nie wieder, so dass man davon ausgehen kann, dass er dort zu Tode kam.

Es ist allgemein bekannt, dass im 2. Weltkrieg sich das Baltikum vorübergehend in den Händen der deutschen Wehrmacht befand, die das Gemeindeleben nicht störte. Nach dem Abzug der Deutschen fiel auch Lettland – und damit das Kurland wieder unter sowjetische Vorherrschaft und wurde der Sowjetunion einverleibt.

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