Fr. Nov 15th, 2024

Lielstraupes verwunschene Gemäuer, Foto: Von JuriskraulisEigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link

Auf dem Weg von Riga nach Valmiera entdeckt der Reisende ein verwunschenes und verlassenes architektonisches Schmuckstück, in dem ein Dornröschen sich zur Ruhe gebettet haben könnte: Aus dem verwitterten ockerfarbenen Gemäuer ragen barocke Giebel und Turmspitzen hervor, auch die gotischen Fenster einer Kirche sind zu sehen. Die Gebäude aus unterschiedlichen Epochen befinden sich in einem Park, in dem exotische Bäume wachsen. Diese Märchenlandschaft gehörte vom 13. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert der Adelsfamilie von Rosen. Bis 2018 war hier noch ein medizinisches Zentrum für Suchtabhängige untergebracht. Wegen Baufälligkeit musste es in die psychiatrische Klinik von Strenci umziehen. Nun stellt sich die Frage, was aus Lielstraupe (Deutsch: Groß Roop) werden soll.

Mitte Oktober 2024 trafen sich etwa 30 Anwohner in der Schlossanlage, um den Erläuterungen des Architekturbüros Mark Arhitekti und der Kommune Cesis zuzuhören, der Lielstraupe mittlerweile gehört. Gegenüber LSM bezeichnete Architektin Ilona Markuse den Zustand des Daches als “tragisch” (lsm.lv). Zwischen den Ziegeln klaffen große Löcher, durch die Feuchtigkeit eindringt, die bereits die Decken und Böden der verschiedenen Etagen erfasst hat. Auch im Saal, in dem die Versammlung stattfand, filmte die LSM-Kamera Löcher und Flecken an der Stuckdecke. Markuse fürchtet, dass bald die ganze Burg baufällig werden könnte. Die Dachsanierung ist die dringendste Maßnahme und die kommunalen Vertreter hoffen, sie mit Hilfe von EU-Geld finanzieren zu können.

Bis zu einer neuen Nutzung dürften noch viele weitere Jahre vergehen. Von einem Restaurant, Herberge und Museum ist die Rede; Genaues ist noch nicht geplant. Nachkomme Jakob von Rosen wünscht die Beteiligung am Projekt. Er möchte aus dem Areal seiner Vorfahren ein Kulturzentrum entwickeln. Er äußerte sich gegenüber LSM online auf Englisch: Dem Schloss müsse neues Leben eingehaucht werden. Viele Burgen und Schlösser seien völlig verfallen, besonders wenn sie sich im öffentlichen Besitz befänden. Ihnen fehlten die Seele und der Geist.

Von Rosens Zweifel an öffentlicher Trägerschaft steht die Skepsis der Kommune Cesis entgegen. Inara Bula, Museumsdirektorin von Cesis, sagte, dass ihre Kommune von Rosen gebeten hätte, ein konkretes Angebot vorzulegen, um zu verstehen, in welcher Art eine solche öffentlich-private Partnerschaft gestaltet werden soll. Sie betonte, dass die Stadt Cesis die alleinige Eigentümerin ist. Doch so weit sei es bislang “leider” nicht gekommen, weil von Rosen irgendwelche besonderen Wünsche und Pläne habe.

Sollte Lielstraupe im öffentlichen Besitz bleiben oder privat geführt werden? Private Investoren sind darauf angewiesen, Profit zu erwirtschaften, damit sich das eingesetzte Kapital rentiert. Sie achten auf effizienten Einsatz der Ressourcen. Allerdings müssen sie nicht gemeinwohlorientiert planen und das führt nicht selten zu teueren Angeboten, die sich nur Wohlhabende leisten können. Ein Nobelrestaurant erwirtschaftet meistens mehr Profit als eine Suppenküche. Staatliche oder kommunale Eigentümer sollten hingegen gemeinwohlorientiert agieren und sich jenseits von Gewinn- und Verlustrechnungen um die Daseinsvorsorge auch für jene Bürger kümmern, die keine hohen Preise zahlen können. Allerdings kann mangelnde Finanzkontrolle zur Verschwendung öffentlicher Mittel führen. Öffentlich-private Partnerschaften sind wahrscheinlich die schlechteste Lösung, wenn dabei Verluste sozialisiert, aber mögliche Gewinne privatisiert werden. Die ehemaligen deutschbaltischen Burgen, Schlösser und Gutshöfe sind heutzutage der Mittelpunkt ländlicher Regionen. Soziale, touristische und wirtschaftliche Erwägungen sprechen für ihre Erhaltung, für die allerdings viel Geld erforderlich ist, das zu einem großen Teil aus dem EU-Budget kommt.

Lielstraupes Pils bzw. Schloss Groß Roop ist ein Hingucker; ein Juwel aus alten Zeiten. Ein Vasall des Rigaer Bischofs errichtete hier im 13. Jahrhundert seinen Herrensitz. Die Burg wurde erstmals 1310 erwähnt, als die Anlage von Litauern belagert wurde. Graf Peter von Lacy, livländischer Generalgouverneur irischer Herkunft, verwandelte nach dem Nordischen Krieg die Burg in ein barockes Schloss mit entsprechend gestalteten Türmen und Giebeln. 1905 steckten lettische Revolutionäre auch diesen deutschbaltischen Herrensitz in Brand. Architekt Wilhelm Bokslaff plante danach die Sanierung erstmals nach wissenschaftlichen Kriterien.

Groß Roop ist der einzige Adelssitz Lettlands, in dem eine Kirche in das Schlossgemäuer integriert ist. In ihr wurden Barone und Geistliche bestattet. Die Erneuerung der Bauten betrifft also auch die Evangelische Kirche. Zum Areal gehört neben dem erwähnten Park ein Friedhof, in dem Pestleichen aus dem 16. Jahrhundert beerdigt sind. Damals starben mehr als 80 Prozent der Stadt Straupe, die sich in der Nähe des Schlosses befand und sogar ein Mitglied des Hansebundes war, nur 794 Einwohner überlebten. Schließlich machte der Nordische Krieg der Stadt den endgültigen Garaus. Mögen für Schloss Lielstraupe bessere Zeiten bevorstehen.

Ein Gedanke zu „Privat oder kommunal? Die Zukunft von Lielstraupe“
  1. Vielleicht geht da was aus NATO-Mitteln. Vielleicht braucht die noch ein Stabsgebäude für Lettlands finalen Rußlandfeldzug?

    Immer überall dasselbe: Jeder wills haben, aber keiner will/kann was machen. So passiert eben jahrzentelang nichts, und irgendwann ist es weg.

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