Vor ein paar Tagen musste ich einen alten Jugendfreund aus Deutschland zum Flughafen in Riga bringen, und hatte bei der Gelegenheit gleich einen Termin beim „Russian Service Center“ in Riga, zwecks Visaantrag für eine Reise nach Russland gemacht.
Visa nach Russland
Mein vorheriges Anschreiben auf Englisch an die Russische Botschaft in Riga wurde zügig beantwortet mit dem Hinweis und Link sich bei obigem Center zu melden. Nach meiner Ukraine Reise im Juni 2023 nach Odessa, siehe:
Ukraine, eine Reise von der Propaganda zur Wirklichkeit Teil 3
möchte ich auch ein wenig verstehen wie in Russland die Meinung und Einstellung der einfachen Bürger zu diesem Kriege ist, und deshalb mir vor Ort selber ein Bild machen.
Wie immer, wenn ich mal im Sommer nach Riga fahre, treffe ich den heissesten und schwülsten Tag und kam entsprechend nach einem längeren Fussmarsch, da aufgrund der extremen Baumassnahmen in Riga mit meinem Fahrzeug kaum noch ein vorankommen war, in den Visa Center an.
Ich entschuldigte mich für mein schlechtes Russisch und fragte ob jemand von den Mitarbeiteren auch eine andere Sprache beherrscht und mit mir kommunizieren könnte. Gleich darauf kam eine jüngere freundliche Mitarbeiterin und wir konnten uns auf lettisch unterhalten.
Dazu im Vergleich ein Bericht: „Szene aus der russischen Verwaltung“ in der Jahresausgabe 2014 S. 50f https://lettlandweit.info/archiv-zur-geschichte-lettlands/
Die Kosten für ein Visa sind mittlerweile fast ums doppelte gestiegen, 93 EUR, da ein früheres Visaabkommen mit der EU seitens der EU aufgekündigt wurde. Nachwievor ist eine Einladung aus Russland erforderlich welche entweder selbst beim Center eingereicht werden kann, z.B. eine Einladung eines Bekannten aus Russland, oder über eine Reiseagentur in Lettland besorgt werden kann.
Dazu suchte ich eine Stunde später das Moskauer Haus in Riga auf in welchem sich so eine Agentur befand, auch dort sprach man lettisch, mit Krankenversicherung und Einladung kostete dort das Visa 138 EUR. Mittlerweile ist das Visa nicht mehr auf die beantragte Region oder Stadt begrenzt, sondern ist für das ganze russische Gebiet gültig. Ein Touristenvisum gilt für 30 Tage.
In beiden Centren gab es nur sehr wenige Besucher.
Ich denke da an 2019, als Russland für bestimmte Regionen ein kostenloses elektronisches Visa für zur Verfügung gestellt hat, was ich auch erfolgreich für einen Besuch in den Oblast Kaliningrad genutzt habe. Das waren noch Zeiten wo Russland Interesse gezeigt hat sich in den europäischen Raum zu integrieren.
Auch interessant ist, das seit 2022 Letten, Litauer und Polen visafrei nach Weissrussland einreisen können, allerdings nicht Bürger anderer Staaten die eine Aufenthaltsgenehmigung in den drei Staaten haben.
Ebenso gibt es ein Abkommen zwischen Russland und Weissrussland über die gegenseitige Anerkennung der Visa für beide Staaten:
https://usa.mfa.gov.by/ru/embassy/news/d3eeb6d038e47653.html
welches aber dennoch nicht funktioniert, wie ein Bekannter von mir gerade aus der Grenze nach Weissrussland zu berichten wusste.
Eine türkische Asylantin
Nach dem langen Spaziergang durch das heisse Riga, musste ich den Wasserhaushalt meines Körpers wieder etwas aufbessern und fand endlich am Markt, mal wieder am Rande, eine kleine Ecke wo Schaschlik draussen auf einem Holzkohlegrill und Fassbier angeboten wurde, zu halbwegs zivilen Preisen. Dort setzte ich mich hin bestellte mir einen halben Liter Bier und ein Schaschlik.
Kurz danach kam ein tschechisches Pärchen mit kleinem Kind und bestellten sich ebenfalls ein Schaschlik und zwei Bier und wir unterhielten uns kurz. Sie machten für 10 Tage Urlaub in Riga und Umgebung waren allerdings über die Gastronomiepreise in Riga ziemlich entsetzt im Vergleich zu Tschechien, und waren froh diese kleine Kneipe mit halbwegs normalen Preisen in Riga gefunden zu haben.
Dann setzte sich eine Türkin mit Zigarette neben mich, zusammen mit zwei kleinen Kindern, und irgendwie kamen wir ins Gespräch da sie ein paar Brocken Deutsch konnte und bemerkt hatte dass ich in Deutsch ein kurzes Telefonat führte.
Sie selber konnte nur ein paar Brocken Deutsch und auf meine Frage, was sie denn in Riga machen würde, erklärte sie mir mit Hilfe des Übersetzers relativ ausführlich ihre Lage.
Vor allem wunderte ich mich zuerst wie sie aufgrund ihrer geringen Sprachkenntnisse in Riga zurechtkommen kann. Begriff dann aber, das sie in der Küche arbeitete und diese kleine Kneipe einem Aserbaidschaner gehörte. Und die Sprache der Aserbaidschaner wie auch der Menschen in Dagestan ist der türkischen sehr ähnlich. Sie hatte Asyl beantragt in Riga, da ihr Mann in der Türkei sie immer wieder stark geschlagen hatte, sie lebt schon seit zwei Monaten in Riga und wartet auf ihr Asylrecht um nach Deutschland zu kommen, wo sie einen Bruder und eine Schwester hat.
Ich fragte mich für mich selber ob es denn schon ausreicht wenn man von einem Ehepartner geschlagen wird und getrennt ist, um einen Antrag auf Asyl stellen zu können, der womöglich auch gewährt wird, da es sich meines Erachtens dabei nicht um eine politische, staatsrechtliche Frage sondern um eine privatrechtliche Frage handelt.
Fahnenflucht
Doch die kleine Konferenz war noch nicht zuende, aufgrund der vielen Gespräche bestellte ich mir noch ein Bier und zwei Ukrainer kamen mit mir ins Gespräch und waren erstmal neugierig wie ich als Deutscher in Lettland die Situation in der Ukraine beurteile. Sie waren beide so um die 30 Jahre alt, Flüchtlinge in Riga, kamen aus Cherson. Er erklärte mir, das er kein Interesse habe sich für irgendeinen Nationalismus abschlachten zu lassen, denn die Wahrscheinlichkeit nicht an der Front eingesetzt zu werden und wieder heile zurückzukommen sei nicht besonders hoch, wie er über Bekannte erfahren habe. Also habe er rechtzeitig mit seiner Frau das Land verlassen.
Nun neigte sich das Stelldichein langsam dem Ende zu, das Schachlik war gegessen, das Bier ausgetrunken und das Pärchen zog weiter. Es bleiben zwar noch viele Detailfragen offen, ob er z.B. über Russland geflüchtet war, muttersprachlich russisch war, warum er in Lettland sich aufhält … .
Die Tatsache aber, das eine grosse Anzahl Männer im wehrfähigen Alter aus der Ukraine trotz bestehendem Militärgesetz geflohen sind und sich nun weitgehend in den westlichen Staaten aufhalten, welche ziemlich intensiv die Ukraine militärisch unterstützen, und zudem noch mit Geldern versorgt werden, verbirgt eine wesentliche Frage , welche bisher in den öffentlichen Medien fast völlig verschwiegen bzw. geleugnet wird:
Wenn die Ukrainer mit besonderem Vorzug direkt ein Asylrecht in den westlichen Staaten bekommen, was schon eine Verletzung der Gleichbehandlung Asylsuchender an sich darstellt, ist in keiner Weise nachzuvollziehen, und politisch – militärisch absolut inkonsequent, warum männliche ukrainische Fahnenflüchtlinge nicht direkt nach ihrer Registrierung in westlichen Staaten, wieder in die Ukraine, als nach dem dortigen Gesetz geltende Wehrpflichtige, abgeschoben werden.
Selbst der selbstherrlich fordernde Herr Selensky ist scheinbar noch nicht auf diesen Gedanken gekommen, die Forderung an alle EU Staaten zu richten, männliche Flüchtinge aus der Ukraine im wehrpflichtigen Alter umgehend an die Ukraine auszuliefern, um seine Armee zu stärken, denn wer soll in Zukunft all das gelieferte militärische Material bedienen?
Das wäre dann ein wirklich wesentlicher europäischer Anteil an der Unterstützung des ukrainischen Verteidigungskrieges und noch dazu kostensparend!
Hallo Michael,
.was für ein toller Beitrag. Damit greifst Du alle Probleme der Problematik zudem Thema auf.
Dies lässt sich leider auch auf die anderen EU Staaten übertragen, also nicht nur in Lettland.
Dieser Beitrag muss den Menschen auch in anderen Ländern zugängig gemacht werden.
Aus dieser Perspektive haben das bestimmt noch nicht viele erkannt,,,hauptsächlich zum Thema Fahnenflucht.
Danke für den Beitrag
Liebe Grüsse
Uwe
Interessanter Einblick wer so alles flüchtet, aus welchen Gründen und dann irgendwo auf der Insel Europa landet. Wenn Kriegsdienstverweigerung und Fahnenflucht kein Asyl verdienen, dann muss das allerdings für alle gelten, egal aus welchem Land sie kommen. Soll man Kriegsdienstverweigerer aus Russland zurückschicken? Am 5.5.2023 berichtete die taz, dass ca 80 Menschen vor dem Büro der EU Kommission in Berlin für den Schutz von Militär- und Kriegsdienstverweigerern aus Russland, Belarus und der Ukraine demonstriert hätten. Aus Kiew war zugeschaltet Yurii Sheliazhenko, über den hier bereits berichtet worden ist.
Hallo Michael
vielen Dank für deinen Artikel. Ein wenig sprunghaft. Erst berichtest du über Russland und landest dann in Riga in der Kneipe mit Türkin und Ukrainern. Nun ja. Deine Frage kann ich nachvollziehen. Was machen die Ukrainer in Lettland? Die sollten tatsächlich ihr Land verteidigen. Abschieben? Naja. Vielleicht. Das Asylrecht in Deutschland und Europa ist eh sehr eigen. Aber immerhin liberaler als anderswo. Ungarn und Rumänien seien da nur genannt. Richtig läuft es derzeit nirgends. Ich denke auch das Visa-Thema mit Russland war mal angenehmer. Klar. Aber momentan fahren ja nicht so viele dahin. Warum auch? Sind ja nicht alle Journalisten. Ich will da nicht hin. Ich bin auch nicht sonderlich pro russisch eingestellt. Aber auch nicht contra. Politisch allerdings verstehe ich das Handeln nicht. Statt sich mehr und mehr auf die Seite der Europäer zu schlagen, und die Armerikaner aus Europa zu drängen, das wäre m.E. der bessere Weg, sind die Amis wieder voll dan und die Russen die bösen. Schade.