Der Anfang der Ansiedlung in Pilten und Kurland
Es gibt keine Aufzeichnungen, die ein Erscheinen der Juden bei den lettischen Stämmen vor den Kreuzfahrern bezeugen würden. Der erste schriftliche Verweis auf Juden findet sich in dem Erlass des deutschen Herrschers von Livland, Siegfried von Feichtwangen aus dem Jahr 1306 (laut anderen Quellen 1309), indem es Juden verboten ist, das Territorium des livländischen Ordens zu betreten. Der Orden, der Erzbischof von Riga und der Bischof von Kurland vertraten die typisch mittelalterliche antisemitische Meinung, Juden seien Feinde des Christentums. Die Kreuzfahrer sahen in den Juden unwillkommende Konkurrenten, die ihren Gewinn aus dem Handel mit der Landbevölkerung schmälerten.
Im siebzehnten Jahrhundert, als Vidzeme und Riga unter schwedischer Herrschaft waren, verbot König Gustav Adolf den Juden, Handel zu treiben und sich niederzulassen. Nur in der Region Piltene, die an Magnus, den Bruder des dänischen Königs verkauft wurde, durften die Juden leben und arbeiten.
Der Eingang zum alten jüdischen Friedhof in Piltene
Nur wenige der Grabsteine haben eine zweisprachige Beschriftung, hebräisch und deutsch
Herzog Magnus hat im Auftrage des Zaren diverse Kriegszüge unternommen, hatte kurzzeitig den Titel “König von Livland” verliehen vom Zar Iwan IV. inne. Allerdings gelang die Einnahme Revals nicht, ebenso fielen alle Unterstützungen aus Dänemark und Russland aus, sodas er schliesslich depressiv die letzten Jahre in seinem einzig verbliebenen Gut Pilten verbrachte, ein englischer Besucher meinte in einem Brief das er sich über die seltenen Besuche freute zumindest einen Trinkgenossen zu finden.
Seit 1571 durften die Juden in Pilten Grundbesitz erwerben und Häuser bauen oder kaufen. Sie hatten die gleichen Rechte, wie die ansässigen Hausbesitzer. Als 1585 die Region Piltene dem polnischen König zufiel, blieben die Gesetze glücklicherweise auch für die Juden bestehen. Wegen diesen vorteilhaften Bedingungen zogen Händler und Handwerker aus Deutschland nach Piltene und in die Nachbarorte. Damit begann die Geschichte der Juden in Lettland.
Die ersten Juden kamen Ende des 16. Jahrhunderts auf dem Seeweg aus Preußen nach Kurland und ließen sich in den Provinzstädten Hasenpot (Aizpute), Pilten, Grobin und Windau (Ventspils) im Bezirk Piltene nieder, einer separaten kirchlichen Enklave bis 1611.Den Juden wurden keine Beschränkungen hinsichtlich des Wohnortes, der Ausübung von Handel und Handwerk sowie der Aufrechterhaltung von Gemeinschaften auferlegt. Die Juden von Hasenpot erhielten 1751 die Erlaubnis, eine Synagoge zu errichten, unter der Bedingung, dass sie eine Sondersteuer entrichteten, die zwischen dem Bürgermeister und dem Stadtgericht aufgeteilt wurde.
Weiterführende Literatur, siehe Bild, besonders die Erzählungen über die Juden in Hasenpoth (Aizpute) auf lettisch und englisch können auf Wunsch bei mir angefragt werden.
Juden im Zarenreich
Erst 1785 erlässt Katharina II einen Erlass (Ukas) in dem es Juden erlaubt wird sich auch in Riga und anderen Städten Livlands niederzulassen und das Bürgerrecht zu bekommen.
In Pilten selber gab es bis Ende des 19. Jhdt. eine grosse jüdische Einwohnerzahl, eine Synagoge und einen jüdischen Friedhof. Allerdings wird aus Reiseberichten auch ersichtlich das es sich meist nicht um reiche Juden handelte, denn Pilten muss nach dem Tode Herzog Magnus stagniert sein, was vermutlich auch dem durch Eisgang veränderten Flusslaufes der Windau zu verdanken war, da somit Pilten des Flusshafens beraubt wurde, welcher nun ca. 2 km von der Stadt seinen neuen Lauf nahm.
Trotz der Progrome gegen Juden 1881/82 in den russischen Ostseeprovinzen und Deportationen stieg deren Einwohnerzahl kontinuierlich an. Insbesondere in den Städten Riga, Libau, Hasenpoth.
Da es vermutlich im Vergleich zu Nordamerika nie eine grössere sehr wohlhabende jüdische Bevölkerung in den Ostseeprovinzen gegeben hatte, waren viele von Ihnen dem sozialistischen Gedanken zugetan und somit nahmen auch einige von Ihnen an der Revolution 1905 und auch an der Oktoberrevolution 1917 teil.
Auch in den darauf folgenden Jahren festigten sie ihre Positionen in der neuen Sowjetbürokratie, als Politkommisare in der Roten Armee etc.
Juden in der ersten lettischen Republik und danach
Paralell dazu war die Stellung der Juden im seit 1918 unabhängigen lettischen Staates relativ ruhig, auch wenn es kleinere Ausschreitungen und Antisemitismus in lettisch als auch deutsch nationalistischen Kreisen gab, blieb die Zahl der in Lettland ansässigen Juden trotzt Auswanderung nach Amerika stabil.
1924 gehörte sechs jüdischen Großbanken 60 % von Lettlands Bankkapital.
Dies änderte sich dann unter der Diktatur von Ulmanis nach 1934, Banken und Unternehmen wurden verstaatlicht, die Auswanderung der Juden nach Amerika nahm etwas zu. Antisemitismus wurde unter Ulmanis allerdings nicht geduldet.
Mit der Übernahme Lettlands durch die Sowjetunion 1940, welche Anfangs noch von einigen Juden bejubelt wurde, änderte sich allerdings auch deren Situation, fast 1/4 der 1941 verhafteten und deportierten Menschen aus Lettland waren Juden.
Mit der “Befreiung” Lettlands durch die Wehrmacht war das Schicksal der meisten Juden besiegelt, erst haben Freiwilligenverbände der Letten Erschiessungskommandos in Araisi durchgeführt, später wurden lettische SS Bataillone aufgestellt. Im grossen Teil der lettischen Bevölkerung galten die Juden als Gründer und Träger des Bolschewismus, somit als ihre Feinde.
Juden und der israelische Staat
In der Sowjetzeit und besonders nach 1990 wanderten sehr viele nach Israel aus.
Hier kommen wir nun an einen wunden Punkt was die Problematik des israelischen Staates betrifft.
Der schon in den 20er und 30er Jahren grosse Zustrom von Juden aus vielen Teilen der Erde in das damals noch unter britischem Mandat stehenden Israel, forderte Platz für die neuen Siedler, eine Frage welche noch bis heute aktuell ist, da Platz nur durch Vertreibung der dortig schon ansässigen Bevölkerung möglich wurde.
Der israelische Staat ist nicht kontinuierlich dort gewachsen, sondern wurde künstlich (wenn man mal von einer Handvoll im Land verbliebenen streng orthodoxen jüdischen Siedlungen absieht) über eine schon lange dort lebende arabisch muslimische Gesellschaft ausgebreitet. Deshalb haben wir seit über 100 Jahren dort einen eigentlich mehr oder minder andauernden Kriegszustand.
Wenn orthodoxe Juden ihren Staatsanspruch auf die Hybris eines :«Ascher bachar banu» , sie seien das von Gott auserwählte Volk, gründen, dann klingt das in meinen Ohren genauso dämlich wie die abstruse, und sich in bösen Tatbeständen auswirkende, Idee eines deutschen arischen reinrassigen Herrenvolkes.
Andererseits kann man den radikalen Arabern auch nicht ohne Kopfschütteln zuhören wenn sie die Vernichtung aller Israelis propagieren und dies als Grundlage für ihre Attentate und Entführungen sehen.
Wirft man einen Blick auf die strittige Person Menachim Begin, Anführer der Irgun einer israelischen paramilitärische Untergrundorganisation im britischen Mandatsgebiet Palästina, so muss man allerdings auch mit dem Kopf schütteln, er tötete bei einem Sprengstoffattentat auf das King David Hotel in Jerusalem 91 Menschen, 1978 als israelischer Ministerpräsident erhält er den Friedensnobelpreis!
Na ja, der Herr Nobel hat auch das Dynamit erfunden …
Perfekt!
Der Anspruch der orthodoxen Juden, einem von Gott auserwählten Volk anzugehören bietet jetzt natürlich auch wieder erheblichen Sprengstoff – insbesondere da radikale jüdische Siedler im gemäßigten Weltjordanland den aktuellen Konflikt zum Anlaß nehmen, auch wohl blutige Übergriffe auf die dortige palästinensische Bevölkerung zu verüben und damit womöglich Wasser auf die Mühlen der Hamas zu gießen? Dies ist womöglich eine eskalative Situation.
Insgesamt muß man aber auch sagen, daß dieser noch aus der Antike stammende Anspruch den Juden es ermöglicht hat, ihre Sprache und Kultur über 2000 Jahre der Diaspora zu retten.
Dieser Anspruch hat somit seine Licht- und Schattenseiten.
Man muß aber auch sagen, daß immer wieder auch später in der Menschheitsgeschichte Völkerscharen oder ihre Herrscher den Anspruch eines Auserwähltenstatus stellten. Auch die Sowjetunion beanspruchte für sich, die Welt mit rotem Terror überziehen zu müssen. Auch der amerikanische Puritanismus und die amerikanische Auffassung von Demokratie als einzig seligmachende Form des Zusammenlebens zeichnet sich durch einen gewissen missionarischen Eifer aus, der durchaus auch Waffengewalt aus amerikanischer Sicht rechtfertigt. Auch die sog. balance of powers der Engländer war nichts als ein Euphemismus der Enländer, eine Herrenrasse zu sein und die Balance eben darin zu bestehen hatte, daß alle anderen Völker sich zu unterwerfen hätten.
Aktuell stellen die russische und die chinesische Führung für sich den Anspruch, eine neue Weltordnung erschaffen zu müssen und andere Völker mit ihrem Herrschaftsanspruch zwangsbeglücken zu müssen. Und auch die Hamas beansprucht z.Z. für sich das Recht, ein Land von der Landkarte tilgen zu müssen und eine völkerschar auslöschen zu müssen, was das Wohlwollen des ebenfalls sich für elitär haltenden Mullah-Regimes zu finden scheint.
Allerdings könnte es sein, daß da die Hamas gerade den nützlichen Idioten für Moskau und Teheran spielt? Keiner weiß es….
Wir lernen daraus, daß die Menschheit immer wieder Menschen und Völkerscharen hervorbringt, die sie über andere erheben meinen zu müssen und dadurch mitunter Konflikte entstehen, die die Menschheit mitunter über Jahrtausende mit Kummer und Leid überziehen und hier Täter und Opfer nicht mehr eindeutig zu erkennen sind und alles in einem Brei aus Gewalt und Gegengewalt versinkt.
Die Menschheit wird wohl nicht an Schupfenviren aus Fernost oder drei Dürresommern in Folge untergehen. Die mit Sadismus, Gier nach Geld und Macht und einem Quentchen Dummheit und Sturheit ausgestatteten Herrscher der Menschheit könnten dies aber vielleicht durchaus schaffen?
Es gibt einen lesenswerten WIKIPEDIA Artikel zum Judentum in Lettland.
Daraus ein Zitat zum Schicksal der Juden im ersten Weltkrieg:
“Nach einem Vorfall bei Kužiai in Litauen erteilte der russische Oberbefehlshaber Nikolai Romanow am 17. (30.) April den Befehl zur Deportation aller litauischen und kurländischen Juden ins Innere Russlands.[1] Von dieser Maßnahme waren etwa 40.000 Personen betroffen, von denen viele schon auf dem Transport starben.“
Juden in ’Neu-Russland’:
In einem langen Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung zur Ansiedlungspolitik der Zarin Katharina und der nachfolgenden Zaren:
“Mit ihrem (=Zarin Katharinas) Manifest, das in mehrere Sprachen übersetzt und in ganz Europa verbreitet wurde, sicherte sie ausländischen Siedlern zahlreiche Rechte zu und versprach vielerlei Vergünstigungen: Fahrt zum gewählten Wohnort auf Staatskosten, unentgeltliche Zuteilung von Land, freie Steuerjahre, innere Selbstverwaltung, Befreiung von Militärdienst und militärischer Einquartierung, Berufs- und Religionsfreiheit, Recht auf Rückwanderung usw. „
Das war der Beginn einer Auswanderung von zahlreichen Deutschen, später als Russlanddeutsche bezeichnet.
Angeworben wurden auch Juden in Lettland, die die Chance wahrnahmen und insbesondere nach ’Neu-Russland’ ausgewandert sind.