Do. Nov 21st, 2024

Unsere kleine Friedensmission war gescheitert, die Wege trennten sich.

Unsere Wege trennten sich in Odessa, da zwischen meinem lettischen und deutschen Bekannten der Streit aufgrund ihrer verschiedenen Ansichten immer mehr entflammte, deshalb entschied ich mich, mit meinem lettischen Bekannten das Land mit dem Zug zu verlassen, so wie es auch der US-amerikanische Präsident gemacht hatte.

Die Folgen sind abzusehen.


Nicht nur für uns drei, sondern auch symbolisch. Wenn drei sehr verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Ansichten nicht in der Lage sind, zusammen eine Reise bis zum Ende zu machen, wie soll das dann mit vielen Menschen, Gesellschaften, Staaten funktionieren?

Ich ahne, diesmal nicht auf der Erde.

Ich könnte schreien angesichts des immer mehr sich aufheizenden Hexenkessels, in welchem ich mich mittendrin befinde.

Also begaben wir uns zum Bahnhof um den Zug von Odessa nach Przemysl (Polen) zu besteigen. Abfahrt 15.00 Uhr geplante Ankunft am nächsten morgen in Polen 6.30 Uhr.

Die Zugreise

Der Direktzug nach Polen war natürlich randvoll, in unserem Abteil saß eine russische Frau mit ihrem Sohn. Wir sprachen etwas über die Situation in der Ukraine. Sie war ausgebildete Physikerin.


Die Lage für Russen in der Ukraine, auch wenn sie dort geboren und fließend ukrainisch sprechen können wie sie, sei so wie für Aussätzige. Die ganze russische Kultur werde vernichtet, um- und abgewertet oder gelöscht.


Die russische Sprache darf an der Schule nicht mehr gelehrt werden, folglich hat ihr Sohn ein Defizit in der russischen Sprache.

Das einzige, was er besonders gut könne, sind halt die russischen Schimpfwörter, weil die auch noch von den Ukrainern benutzt werden. Sie war auf dem Weg nach Warschau, dort hatte ihr Mann schon vor sechs Jahren eine Arbeit gefunden, wesentlich besser bezahlt als in der Ukraine.


Dann meinte sie noch, dass in der Ukraine das Kindergeld unter Selensky abgeschafft wurde und das darüber sehr viele Ukrainer empört sind. Auf meine Nachfrage beim ukrainischen Sozialministerium habe ich bis heute keine Antwort erhalten …

Auffällig war auf der ganzen Strecke in der Ukraine, dass nirgendwo auch nur ein einziger Militärtransport zu sehen war, weder auf der Eisenbahnstrecke noch auf den vielen verschiedenen Straßen, die wir gefahren sind. Das war 2015 noch ganz anders. Ebenso auffällig war, dass die gesamte Landwirtschaft noch vollständig in Betrieb ist.

Die Zugreise von Odessa nach Polen erinnert am Grenzübergang auf der ukrainischen Seite an die ehemalige DDR Grenze mit ca. 2 Stunden Aufenthalt an der Grenze. An den ukrainischen Grenzen ist von der Annäherung an den Westen noch nichts zu spüren.

Männern von 18 bis 60 Jahren ist die Ausreise verboten, natürlich gibt es da diverse Ausnahmen. Ich sah, wie ein junger Mann von den Grenztruppen mitgenommen wurde, aber nach ungefähr einer knappen Stunde kam er wieder zurück mit Papieren in der Hand, er durfte weiterfahren. Im Zug spürte ich die Angst, die alle Leute hatten. Es war eine bedrückende Atmosphäre, ich hörte kaum jemanden lachen.


Ich war im November 1989, ich denke so am 10. oder 11., in Berlin an der Mauer, habe dort ein bisschen mitgemeißelt mit irgendeiner Spitzhacke oder Vorschlaghammer, es gab mal ein Foto davon, da trug ich meinen alten grünen Ledermantel und einen braunen Cowboyhut.

Hier noch ein paar Zeilen aus meinen Aufzeichnungen beim ersten Besuch Odessas 2005:

Hier in der Ukraine herrscht wirklich nur die Anarchie des Reichtums, offen, blank, ohne Maske.

Die sogenannte orangene Revolution war nichts anderes als Kannibalkapitalismus!

Odessa, der Gipfel der Dekadenz.

Die Medaille hat 3 Seiten, Reich, Arm, und am Rand tanzen die ewigen Träumer, sie machen den Moment zum Kreis.

Kein vorwärts, kein zurück, jetzt werden wir angeln, vergessen den Köder und das Netz.

Die alte Frau in Rotkreuzschwesteruniform mit starrem Blick auf den berühmten Treppen von Odessa zum „More“, ein Symbol des Untergangs einer Illusion?

Am Zipfel von Odessa, ein alter Park, ausgetreten Spur neben dem zaun zum Hafengelände, daneben ein Plastiksitz auf einer Holzpritsche schaukelt im Wind.

Ein Gitterkorb daneben, leer.

Wer mag hier den Sommer wie verbracht haben, der kalte Herbstwind nimmt zu, das Lager wird wohl leer bleiben.

Die Büsche rauschen und Hafenlichter glitzern, Schiffe wummern dumpf, die Zeit allein birgt keinen Sinn.


Das auf und ab in der Geschichte, die Grenzen wurden geöffnet und jetzt werden sie wieder dichtgemacht zwischen Ost und West. Zyklisch und zynisch ist das Wesen der Dinge. Man baut auf um dann es wieder zu zerstören und danach baut man es wieder auf, – alles für eine „bessere Zukunft“.




Schlussbetrachtung

Jetzt hab ich nach langer Zeit gefunden was mich als 15 oder 16 jähriger beeinflusst hat einen Blick nach Russland, Osteuropa zu werfen. Es war später Abend in Hillesheim und ich hörte im Bett kurz vorn Einschlafen im Radio folgenden Song:

https://www.youtube.com/watch?v=uz0z_P4FaJQ

Odessa (City on the Black Sea)

Lied von Bee Gees

14th of February 1899
The British ship Veronica was lost without a sign
Baa, baa, black sheep, you haven’t any wool
Captain Richardson left himself a lonely wife in Hull

Cherub, I lost a ship in the Baltic Sea
I’m on an iceberg running free
Sitting, filing this berg to the shape of a ship
Sailing my way back to your lips
One passing ship gave word that
You have moved out of your old flat
You love the Vicar more than words can say
Tell him to pray that I won’t melt away
And I’ll see your face again

Odessa
How strong am I?
Odessa
How time goes by

Treasure, you know the neighbors that live next door
They haven’t got their dog anymore
Freezing, sailing around in the North Atlantic
Can’t seem to leave the sea anymore
I just don’t understand, why you just moved to Finland
You love that Vicar more than words can say
Ask him to pray that I won’t melt away
And I’ll see your face again

Odessa
How strong am I?
Odessa
How time goes b14th of February 1899
The British ship Veronica was lost without a sign




wieder ein Puzzlestein eingepasst in dem warum ich so bin wie ich bin, Determinismus oder Auswahl durch Ahnung?

Psychologisch interessant, das dieser Song rudimentär immer in meinem Kopf blieb, und was er verursacht hat, mein Interesse an Osteuropa …

Habe schon Jahre nach dem Song im Internet gesucht, heute gefunden!

Wenn man ein Fazit von der Reise ziehen will, was die Situation der Ukraine betrifft, dann bleibt es auf den ersten Blick so gespalten wie in der Propaganda, beide Seiten behaupten, sie würden siegen. Russland behauptet, seine besetzten Gebiete auf Dauer zu halten oder gar auszudehnen. Die Ukraine glaubt, Russland wieder aus allen besetzten Gebieten vertreiben zu können. Beide Seiten behaupten, dass je die andere von Korruption durchsetzt sei, beide Seiten sind von Korruption durchsetzt. Kein Arsch interessiert sich für die Bevölkerung, für die Menschen, für die wirtschaftliche Lage. Bei vielen Menschen die wir dort befragt haben, endet die Einsicht damit, dass letztlich es sich immer nur um internationale Macht- und Geldspiele handelt, welche auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung blutig ausgetragen werden.


Es ist offensichtlich, dass vieles in der Ukraine, vor allem in dem von mir besuchten Süden und der Stadt Odessa gewaltig den Bach runtergeht, die Infrastruktur, die Wirtschaft, und das Zusammenleben des Völkergemisches (es gibt nämlich kaum einen Staat auf der Erde welcher nicht verschiedene Völker in sich beherbergt), russischstämmige Einwohner fühlen sich diskriminiert und sind in den betroffenen besetzten Gebieten aber auch in Odessa mindestens zu 50% vertreten und das Land dünnt aus.


Auch wenn einige behaupten, es kehrten wieder viele in die Ukraine zurück, so sagen meine Augen mir etwas anderes, der Zug war voll, nach Polen kaum Plätze zu kriegen, das Land wird ausgeblutet im internationalen Einvernehmen.

Denn beide Seiten unterstützen die militärische Eskalation und vernichten damit unzählige Menschen und Existenzen.


Die Russen halten die Front und die eroberten Gebiete und schicken zwischendurch mal Raketen auf unbesetzte Städte um psychologisch die Menschen in der Ukrainer weiter zu demotivieren und zu demoralisieren. Und die Ukainer versuchen dasselbe z.B. auch in der Region Beogrod.


Die ukrainische Regierung erzählt vom Endsieg gegen die Russen, der faktisch nicht stattfindet, und viele westlichen Staaten liefern weiter Waffen, um den Krieg am Laufen zu halten.

und ebenfalls ergänzend mein Reisebericht aus Odessa 2005

https://www.explorermagazin.de/ukraine/ukraine05.htm

3 Gedanken zu „Ukraine, eine Reise von der Propaganda zur Wirklichkeit Teil 4 und Schluss“
  1. Bemerkenswerter Bericht über eine Ukraine-Reise, noch dazu mit Ausgangspunkt Lettland. Wo doch die baltischen Staaten als erste gegen Rußland zetern, obwohl sie 1990 von Moskau in die Selbstständigkeit entlassen wurden. Undank ist der Welt Lohn!
    Ich meine, daß den Russen nach Auflösung des Warschauer Paktes übel mitgespielt wurde – die NATO wird keinen cm nach Osten rücken – und daß mit der angepeilten Aufnahme der Ukraine in die NATO das Faß übergelaufen ist. Ob das einen Angriffskrieg rechtfertigt? Das sei dahingestellt.

    1. die baltischen Länder sind doch nicht großzügig in die Unabhängigkeit entlassen worden, sondern haben gemeinsam für die Freiheit gekämpft! An der Burg in Tallin gibt es ja auch eine Tafel, auf der Boris Jelzin dafür gedankt wird, dass er den Einmarsch des Militärs verhindert hat. Also nix von „Großzügigkeit“

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