„Als zum erstenmal das Wort »Friede« ausgesprochen wurde, entstand auf der Börse eine Panik. Sie schrieen auf im Schmerz: Wir haben verdient! Laßt uns den Krieg! Wir haben den Krieg verdient!“
Karl Kraus
Zur berüchtigten „Zeitenwende“, die der deutsche Noch-Kanzler Olaf Scholz zu Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine ausrief, gehört es, das umstrittene Image deutscher Waffenschmieden aufzupolieren. Deutsche Politiker können sich im Kreis der Waffenlobby wieder sehen lassen. Scholz und sein Verteidigungsminister Boris Pistorius waren im niedersächsischen Unterlüß im Februar 2024 anwesend, wo der Rüstungskonzern, der einen Namen trägt, der eine teutonische Rechtsrock-Band zieren könnte, nämlich Rheinmetall, den Spatenstich für eine neue Munitionsfabrik zelebrierte. Der Kanzler lobte Rheinmetall dafür, „die Bundeswehr und unsere Partner in Europa eigenständig und vor allem dauerhaft mit Artilleriemunition zu versorgen“. Zudem entstünden 500 neue Arbeitsplätze. (bundesregierung.de)
Zu solchen Einschätzungen passt die öffentliche Berichterstattung. Ein Beitrag auf tagesschau.de liest sich beispielsweise wie firmeneigene PR. Das „Porträt“ über Rheinmetall-Chef Armin Papperger gibt kritik- und distanzlos seine für die Öffentlichkeit gedachten Statements wieder: Er sei vom ersten Tag an überzeugt gewesen, das Richtige zu tun, weil „wir“, also Rheinmetall, „die NATO, dass wir Deutschland, Europa, aber letztendlich auch unsere Demokratie verteidigen. Das kann nicht verwerflich sein“. So wird er vom öffentlich-rechtlichen Journalismus bedenkenlos zitiert. (tagesschau.de)
Auch Pappergers Erklärung zur „historischen Verpflichtung Deutschlands“ verbreitet tagesschau.de unkommentiert. In Deutschland werde aufgrund seiner Historie mit Krieg und Frieden „sensibler umgegangen als anderswo“. Diese Sensibilität erweist sich für den Konzernchef nun als Schwäche. Deutschland habe „wahrscheinlich“ zu wenig gemacht, um „die Demokratie verteidigen zu können“. Und er resümiert mit einem Satz, der Karl Kraus angesichts der deutschen Vergangenheit, zu der Auschwitz unauslöschlich gehört, satirisches Vergnügen bereitet hätte: „Jetzt ist es Zeit, dass wir in Deutschland Gas geben.“
Die Organisation Deutsche Friedensgesellschaft/ Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen verurteilt die Rheinmetall-Geschäftspolitik scharf und führt Kampagnen gegen den Konzern durch. Quelle: dfg-vk.de
Unter dem Tagesschau-Artikel ist der derzeitige Stand der Rheinmetall-Aktie angegeben. Sie ist derzeit etwa 695 Euro wert. Als Papperger 2013 Vorstandschef der Düsseldorfer Waffenschmiede wurde, betrug der Aktienwert 45 Euro; Ende 2021 bereits 83 Euro. Papperger arbeitet also für die Aktionäre, denen er verpflichtet ist, recht erfolgreich. Doch die Geschäfte, die den Profit steigerten, orientierten sich nicht an der offiziellen Rheinmetall-Losung, die Demokratie zu verteidigen. BR-Journalisten berichteten vor der „Zeitenwende“ mehrmals über die ethisch fragwürdigen Deals der Rheinmetaller, beispielsweise über Waffenexporte aus ihrer Filiale auf Sardinien an Saudi Arabien, das im Jemen Krieg gegen Huthi-Milizen führte. Tausende fielen diesem Konflikt zum Opfer. (br.de)
Inzwischen ist der deutsche Rüstungskonzern, bekannt für Leopard-Panzer, an der NATO-Ostflanke ein Begriff. Am 29. November 2024 unterzeichnete Rheinmetall mit der Regierung Litauens einen Vertrag, um in der Gemeinde Baisogola gemeinsam mit dem litauischen Staat eine Munitionsfabrik zu errichten; „auf einer Grundfläche von etwa 340 Hektar [soll] eine hochmoderne Fertigungsanlage einschließlich Geschossschmiede und Füllanlage“ entstehen, um ab Mitte 2026 „zehntausend Artilleriegeschosse im Kaliber 155mm“ zu produzieren. 150 Millionen Euro sollen investiert und 150 Arbeitsplätze geschaffen werden. Die litauische Regierung beteiligt sich an der Festigung des Rheinmetall-Images: Premierministerin Ingrida Simonyte sprach vom „gegenseitigen Verständnis für die Dringlichkeit und Notwendigkeit des Projekts“ und vom „gleichen Geist der Zusammenarbeit“. Solche Äußerungen werden auf der Rheinmetall-Webseite gern zitiert, anderes hingegen wird beharrlich verschwiegen. (rheinmetall.com)
Die Investition im Nachbarland machte die lettische LSM-Journalistin Zane Enina auf Rheinmetall aufmerksam (lsm.lv). Sie bezog ihre Fakten aus einer Recherche, die ein Team von Investigate Europe über den Fall Rheinmetall unternommen hatte. Laut eigener Darstellung hatten die Journalisten dafür Dutzende von Rheinmetall-Managern befragt und viele tausend Dokumente ausgewertet (investigate-europe.eu). Sie entdeckten zahlreiche Waffendeals mit Ländern, die Menschenrechtsverletzungen begehen oder sich an gewaltsamen Konflikten beteiligen. Diese Geschäfte sind nach Auffassung der Journalisten kein ärgerlicher Nebenverdienst des Konzerns, sondern Grundlage von Pappergers Strategie. Sie zitieren dazu den 2020 gestorbenen Friedensaktivisten Otfried Nassauer, nach dessen Einschätzung die Bereitschaft des Konzernmanagements, Munition auch an kriegführende und die Menschenrechte missachtende Staaten zu liefern, eine wesentliche Voraussetzung für den geschäftlichen Erfolg des Unternehmens darstelle.
Bereits 2007 wurde Papperger Geschäftsbereichsleiter Waffe und Munition bei Rheinmetall. Ein Jahr später übernahm Rheinmetall den südafrikanischen Rüstungsbetrieb Denel Munitions, der faktisch pleite war. Dennoch ist er für die Düsseldorfer von unschätzbarem Wert: Die südafrikanische Regierung kontrolliert selten Waffenexporte, so dass der Konzern seine erworbenen Filialen bei Kapstadt und Johannesburg nutzte, um Geschäftsbeziehungen zu Nicht-NATO-Ländern aufzubauen. Rheinmetall lieferte ganze Munitionsfabriken ohne jegliche Kontrolle. Zu den Kunden zählen die Regierungen Saudi Arabiens, Ägyptens oder der Vereinigten Arabischen Emirate. Keines dieser Länder macht für besondere Beachtung der Menschenrechte oder strikte Friedfertigkeit von sich reden.
Die DFG-VK kritisiert, dass Rheinmetall nun sogar Sponsor des Fußball-Bundesligaclubs Borussia Dortmund ist, der dem Konzern hilft, sich ein neues Image zu verschaffen.
Ende 2024 vereinbarte Rheinmetall die Kooperation mit dem indischen Rüstungsfabrikanten SMPP, der u.a. beabsichtigt, Munition „jeglichen Typs“ herzustellen, darunter wiederum 155-mm-Artelleriegranaten, die auf ukrainischen Schlachtfeldern abgefeuert werden. SMPP will nach eigener Aussage nicht nur die indische Armee beliefern, sondern sich auch am internationalen Waffenhandel beteiligen. Indien hat keine internationalen Verträge unterschrieben, die Waffenexporte beschränken oder verbieten. Die indische Regierung macht derzeit Waffengeschäfte mit Russland in Milliardenhöhe. Die Rheinmetall-PR schweigt öffentlich zu solchen Geschäftsbeziehungen und lehnt gegenüber Journalisten jede Stellungnahme ab.
Attila Kalman und Nico Schmidt, die in einem Beitrag auf der Webseite von Investigate Europe die Ergebnisse ihres Recherche-Teams zusammenfassten, weisen zuletzt darauf hin, dass Rheinmetalls Waffendeals den Konzern doch noch in Bedrängnis führen könnten. Im August des letzten Jahres stoppte die südafrikanische Regierung eine Lieferung von 155-mm-Granaten an Polen, die Rheinmetall Denel Munitions hergestellt hatte. Die südafrikanischen Behörden fürchteten, dass die Munition in die Hände der ukrainischen Armee gelangen könnten. Als BRICS-Staat pflegt Südafrika gute diplomatische Beziehungen zu Russland. Kalman und Schmidt zitieren dazu die Aussage des südafrikanischen Staatspräsidenten Cyril Ramaphosa, der im Herbst 2024 seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin empfing: „Wir betrachten Russland weiterhin als einen geschätzten Verbündeten, als einen geschätzten Freund, der uns von Anfang an unterstützt hat, seit den Tagen unseres Kampfes gegen die Apartheid“. So unterschiedlich und gegensätzlich können politische Ansichten sich darstellen. Im Gegensatz zur Sowjetunion hatten die USA und ihre westlichen Verbündeten, unter ihnen die BRD, die meiste Zeit mit dem Apartheid-Regime kooperiert.
Kalman und Schmidt weisen zudem darauf hin, dass die Ampelkoalition vor ihrem Regierungsantritt versprochen hatte, die Waffenexportkontrolle zu verschärfen. Die deutschen Gesetze zur Beschränkung von Waffenexporten beziehen sich nur auf Waffen, die auf deutschem Territorium produziert werden und auch dieses Verbot wird häufig mit Hilfe von Regierungsentscheidungen umgangen. Doch seitdem die Zeitenwende-Stimmung in Deutschland grassiert, ist davon nicht mehr die Rede. Jetzt ist für die Politik ein Kuschelkurs mit Waffenproduzenten angesagt.
Was ist daran verlogen, daß Unternehmer Geld machen wollen? Dafür sind Unternehmer da! Und Waffenproduzenten verkaufen nun mal Waffen?
Es ist ja auch nichts Verlogenes dabei, daß Nordkorea Menschen an Rußland für seinen Fleischwolf – wie auch die Russen Putins Kriegsmaschinerie nennen – verkauft, um an dringend benötigte Nahrungsmittel für die Bevölkerung zu kommen, da der gesamte Staatshaushalt in das Atom-Programm und den Überwachungs- und Bevormundungsstaat verpulvert wird und für Nahrung für Kinder kein Geld mehr da ist?
Und schließlich verdienen sich die russischen Waffenproduzenten – man nennt sie Oligarchen – doch sicher auch eine goldene Nase an den Waffenverkäufen an Putin, oder?
Sorry, die Fragen waren nur rhetorisch! Störe nicht weiter!