Zuerst fällt einem bei dem Interview von Tucker Carlson auf, das es etwas einseitig daher kommt, der Interviewer ist mehr ein braver Zuhörer denn ein kritisch Fragender. Des weiteren sollte man nicht vergessen zu welchem Zweck das Interview geführt wurde, um das amerikanische Volk über die Sachlage in der Ukraine zu informieren. Das dies gleichzeitig faktisch als Wahlunterstützung für Trump dient ist mit Sicherheit ein gewollter Nebeneffekt wenn nicht gar der Hauptgrund weshalb Putin sich auf dieses lange Interview eingelassen hat, auch wenn Putin meinte das nicht die Präsidenten wirklich entscheiden wo der Hase lang läuft, sondern das sie umgebende Umfeld.
Im Titel aufgeführtes Zitat wird viel in der Presse verwendet, ich frage mich warum er explizit Lettland erwähnt hat und nicht das Baltikum im Allgemeinen oder z.B. Litauen als noch schärferen Gegner Russlands. Die einzige Vermutung welche ich habe, ist, das Lettland der Staat ist, wo immer noch fast 50% der Bevölkerung russischsprachig sind. Oder es ist einfach die Tatsache das Tucker nur die beiden Länder in seiner Frage erwähnt hat:
„Tucker Carlson: Die Bedrohung, auf die Sie sich meiner Meinung nach bezogen haben, ist die russische Invasion in Polen und Lettland – expansives Verhalten. Können Sie sich ein Szenario vorstellen, in dem Sie russische Truppen nach Polen schicken?„
Polen ist klar, da vor kurzem in der Presse die Worte herumgingen, das sich Polen auf den Krieg gegen Russland vorbereite.
Russland wird immer die kalte Schulter gezeigt, ein beleidigter Putin
In dem langen Interview, wo der erste Teil eine Vorlesung zur Entstehungsgeschichte des russischen Reiches war (darauf will ich hier nicht weiter eingehen, denn wenn man nach historischen Gründen sucht um sein Staatsgebiet zu vergrössern wird jede Nation fündig), kam Putin dann auf die Situation nach 1991 zu sprechen. Russland hätte erwartet, nach der Auflösung der kommunistischen UDSSR und dem Ende des kalten Krieges vom Westen freundlich aufgenommen zu werden und in Europa integriert zu werden.
Auch über die Nato und seine mündliche Anfrage ob Russland nicht auch beitreten könne, welche er Bill Clinton bei einem Besuch in Moskau gestellt habe, sei die spontane Antwort positiv gewesen, nach kurzer Beratung mit seinem Team aber strikt abgelehnt worden. Inwieweit sein Anfrage ehrlich gemeint war, bestreitet er selber ein wenig, er wolle damals die Lage ausloten, das passt zu einem ehemaligen KGB Offizier.
Wie ein goldener Faden zieht sich durch das ganze Interview Putins Meinung, das der Westen Russland nicht nur nicht aktzeptiert habe, sondern trotz mehrfacher russischer Zugeständnisse Russland immer wieder, entgegen klarer Absprachen, betrogen habe. Beispiel wäre z.b. die unrechtmässige Absetzung Janukowitsch und die Nichtdurchführung der 6 Punkte Vereinbarung in Kiew 2014 wofür Polen, Deutschland und Frankreich als Garanten gegengezeichnet haben.
Siehe dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Vereinbarung_%C3%BCber_die_Beilegung_der_Krise_in_der_Ukraine
Was den Donezk Aufstand betrifft, so redet Putin nur von ukrainischen Angriffen auf Donezk, ohne auf die Vorgeschichte mit russischer Beteiligung überhaupt einzugehen. Zusätzlich meinte er noch das damals nach einer gewissen Zeit der Lösung wirtschaftlicher und sozialer Probleme Russland bereit war den Donbass wieder in die Ukraine zurückführen.
Den Maidan Umsturz bezeichnet er als perfekt durchgeführte Mission des amerikanischen Geheimdienstes, also immer noch sein Lob auf Geheimdienste da er selber dort reichlich involviert war, nur politisch wäre diese Massnahme falsch gewesen.
Als er sagte, das bei den Verhandlungen in Istanbul man schon sich im wesentlichen auf alles geeinigt habe, und er im Vorfeld dazu das russische Militär angewiesen habe sich aus Kiew zurückzuziehen, bekam ich doch Zweifel ob das so war.
Jedoch tatsächlich, siehe:
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-russland-verhandlungen-121.html
Frieden auf Grundlage des fast zustandegekommenen Friedensabkommens von Istanbul
Die Verhandlungsergebnisse in Istanbul, welche nach seiner Ansicht durch Boris Johnsons Empfehlung an die Ukraine, besser mit Unterstützung des Westen weiterzukämpfen, nicht durchgeführt wurden sieht er als Grundlage für Friedensgespräche, da aber Selensky ein Dekret erlassen habe, das jegliche Friedensverhandlungen mit Russland untersagt, wäre es nicht seine Aufgabe für Friedensverhandlungen zu werben oder des US Präsident Biden zu kontaktieren.
Ein Waffenstillstandsentwurf der Ukraine vom 29. März umfasste[46]
- einen Waffenstillstand,
- mit Abzug aller russischen Invasionstruppen hinter die Linien vom 23. Februar, was allerdings nicht schriftlich kommuniziert wurde;[2]
- sodann eine völkerrechtlich verbindliche Neutralitätserklärung der Ukraine und den Verzicht auf einen Beitritt zur Nato wie auch ein Verbot ausländischer Militärstützpunkte auf ukrainischem Territorium.[47]
- Allerdings nur, sofern völkerrechtlich verbindliche Sicherheits- und Beistandsgarantien für die Ukraine durch ständige Mitglieder des Sicherheitsrates, wie die USA, Großbritannien, China, Russland und Frankreich erklärt werden, so das Delegationsmitglied Arachamija.[47] Auch die Türkei, Israel, Polen, Indien und Deutschland wurden genannt.
- Der Entwurf hätte das Einfrieren des damaligen Status der von Russland 2014 völkerrechtswidrig annektierten Krim für fünfzehn Jahre erlaubt, so Präsidentenberater Mychajlo Podoljak, um in dieser Zeit eine Vereinbarung über den künftigen Status der Halbinsel auszuhandeln.[47]
- Als letzter Punkt hätte der Waffenstillstand direkte Verhandlungen zwischen den beiden Präsidenten Selenskyj und Putin über einen Sonderstatus für die beiden umstrittenen „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk im Donbas beinhaltet.
Propagandakrieg und Finanzen
Putin meint, das es keinen Sinn habe alle seine vorgebrachten Thesen als Fakten in den öffentlichen Medien detailiert zu untermauern, da:
„ Im Propagandakrieg ist es sehr schwierig die USA zu besiegen, weil die USA alle Medien der Welt und viele europäische Medien kontrolliert. Die eigentlichen Nutzniesser der grössten europäischen Medien sind die amerikanischen Finanzinstitute.“
Über die Finanzen wird weiter erklärt, das die USA mit 33 Billionen Schulden und der Dollarpresse wirtschaftlich am Ende seien, zumal auch die Vereinigung BRICS die G7 Staaten mitterweile überholt habe im finanziellen Umsatz.
Noch zwei psycholgisch interessante Aspekte
Bei der Frage der zwei Hemisphären eine mit billiger Energie, eine ohne, antwortet Putin etwas seltsam:
„Ein menschliches Gehirn unterteilt in zwei Hemisphären: eine ist für eine Art von Aktivitäten verantwortlhttps://lettlandweit.info/wir-haben-kein-interesse-an-polen-lettland-oder-woanders-putins-ansichten-hinterfragt/ich, bei der anderen geht es mehr um Kreativität und so weiter. Aber es ist immer noch ein und derselbe Kopf. Die Welt sollte ein Ganzes sein, Sicherheit sollte geteilt werden, anstatt für die „goldene Milliarde“ bestimmt zu sein. Das ist das einzige Szenario wo die Welt stabil, nachhaltig und vorhersehbar sein könnte. Bis dahin ist der Kopf ist in zwei Teile gespalten, es ist eine Krankheit, ein ernster widriger Zustand. Es ist eine Zeit schwerer Krankheit, die die Welt jetzt durchmacht.“
Was hören wir hier? Etwa der Gedanke eines einzigen die Erde umfassendes Staatssystems als Lösung der drängenden globalen Fragen?
In seiner Rede kurz vor dem Einmarsch in die Ukraine sagte er sinngemäss, das er sich die Vorherrschaft der USA als Weltpolizei nicht weiter gefallen lassen werde, also jetzt dann Russland als Weltpolizei?
Was den geteilten Kopf betrifft, man nennt es auch Schizophrenie, und da weiss er von zu reden, wenn er von der abscheulichen Gier nach Reichtum redet, der genauso Russland wie ein Krebsgeschwür durchsetzt wie auch alle anderen kapitalistsichen und selbst den sogenannten kommunistischen Staat China. Er selber ist ja Asket mit seinem kleinen Palast in Sotschi und anderen unbedeutenden Villen und Anlagen. Hier hört man Lippenbekenntnisse welche bei der woken Generation ankommen sollen. Und er wird vom Messias zum Heiler dieser Krankheit Gier auf der Erde werden …
Über den Krieg in der Ukraine bringt er ein fragwürdiges Beispiel:
„Ich gebe Ihnen ein sehr ungewöhnliches Beispiel.
Es gibt eine Kampfbegegnung auf dem Schlachtfeld:
Ukrainische Soldaten wurden eingekreist (dies ist ein Beispiel aus dem wirklichen Leben), unsere Soldaten riefen ihnen zu: „Es gibt keine Chance! Ergebt euch! Kommt raus und ihr werdet leben!“ Plötzlich schrien die ukrainischen Soldaten von dort auf Russisch, perfektes Russisch, und sagten: „Russen ergeben sich nicht!“ und alle kamen um. Obwohl sie sich als Russen bezeichnen.
Was geschieht, ist bis zu einem gewissen Grad ein Teil eines Bürgerkriegs. Jeder im Westen glaubt, dass das russische Volk für immer von Feindseligkeiten gespalten wurde. Nein. Sie werden wieder vereint. Die Einheit ist immer noch da.“
Was er hiermit sagen will erschliesst sich mir nicht ganz. Das es ein Bürgerkrieg ist in der Ukraine, denkbar. Das russische Soldaten die zuverlässigsten Kämpfer sind und auf ihr Leben keinen Deut geben? Wie sollten sie nach so einem Beispiel noch zueinander finden?
Fazit
Das Interview ist etwas langwierig, vor allem im historischen Teil mit zahlreichen Wiederholungen, die angegebenen Konfliktpunkte in der Ukraine sind teils zutreffend skizziert, die Entnazifizierungsargumente nicht auf eine ukrainische Regierung auszudehnen und faktisch, wie Tucker nachfragte, auch nicht praktisch umzusetzen. Zumal ich mich eines Besuchs in Moskau erinnere (2008) wo ein junger Man in der Metro aufstand, und ein paar Minuten lang den Hitlergruss zeigte und in lächerlichem schlechten Deutsch versuchte Heil Hitler zu brüllen ohne das irgend jemand dazwischentrat, oder was ist mit der Wagner Brigade im eigenen Land?
Richtig ist, das wenn ein Land ein Dekret erlässt, nachdem Versuche zu Friedensverhandlungen strafbar seien, auch wenn es das angegriffene ist, dies keine realistische Haltung darstellt und verständlicherweise nicht Russland versuchen wird auf das Land mit Friedensversuchen zuzugehen, zumal die militärische Situation für die Ukraine nicht gut aussieht. Somit ist der Ansatz von Gesprächen unter Grundalge der Istanbuler Verhandlungen ein durchaus realistisch gedachter Ansatz, wenn man nicht weiterhin den militärischen Fleischwolf bedienen will und die Wirtschaft auf Militärprodukte umstellt anstatt zu versuchen die globalen Probleme in Angriff zu nehmen.
Ob man Putin glauben kann das er keinerlei Absichten gegenüber dem Baltikum hat mag dahingestellt sein, man kann viel reden und dann plötzlich doch anders handeln. Allerdings ist es dennoch äusserst unwahrscheinlich das Russland, und eben nicht nur Putin, sich auf einen Zweifrontenkrieg einlassen möchte und dann die ganze Nato gegen sich hätte.
Das Russland nach 1991 vom Westen wie ein kleiner Junge behandelt und an der Nase geführt wurde sehe ich teilweise auch so.
Respektieren kann man das ein russischer Politiker zwei Stunden lang frei sich über historische und politische Fragen mit Sachkenntnis und Konzentration unterhalten kann, ohne auf Zettel zu schauen und spontan zu antworten vermag, was ich vielen westlichen Politikern mittlerweile abspreche.