Do. Nov 21st, 2024

Vor über 200 Jahren verfasste am 12. September 1807 Karl August von Hardenberg in den Wirren der Napoleonischen Kriege aus dem Exil in Riga eine Denkschrift. Bis dahin war er ein führender Staatsmann in Preussen welcher auf eine Koaliation gegen Napoleon drängte und eine Einheit Deutschlands anstrebte. Nach dem Frieden von Tilsit welche nur unter der Bedingung Napoleons, das Hardenberg alle Ämter niederzulegen, zustande kam, begab sich Hardenberg ins Exil nach Riga. Bis dahin schon hatte er intensive Kontakte mit dem Zaren Alexander I. unterhalten sodas der Aufenthalt im russischen Reich der Ostseeprovinzen naheliegend war.

Werfen wir einen Blick auf die umfangreiche Denkschrift aus Riga, man möge im Hinterkopf behalten das sowohl Hardenberg als auch Freiherr von Stein praktizierende Freimaurer waren und Riga ein Zentrum der Freimaurerei war zu welchem auch der Verleger Hartknoch zu zählen ist. Dazu gibt es im Rigaschen Kalender von 1900 einen ausführlichen Artikel über die Freimaurerlogen in Russland und insbesondere Riga:

So entspricht dann auch die Einleitung ganz dem Gedankengut der Freimaurer, das es einen grossen Baumeister gibt der die Welt geplant hat (was ich persönlich für völligen Unsinn halte!):

Quelle: https://www.staatskanzler-hardenberg.de/quellentexte_riga.html#I

„Die Begebenheiten, welche seit mehreren Jahren unser Staunen erregen und unserem kurzsichtigen Auge als fürchterliche Übel erscheinen, hängen mit dem großen Weltplan einer weisen Vorsehung zusammen. Nur darin können wir Beruhigung finden. Wenngleich unserem Blick nicht vergönnt ist, tief in diesen Plan einzudringen, so läßt sich doch der Zweck dabei vermuten: das Schwache, Kraftlose, Veraltete überall zu zerstören und nach dem Gange, den die Natur auch im Physischen nimmt, neue Kräfte zu weiteren Fortschritten zur Vollkommenheit zu beleben.
Der Staat, dem es glückt, den wahren Geist der Zeit zu fassen und sich in jenen Weltplan durch die Weisheit seiner Regierung ruhig hinein zu arbeiten, ohne daß es gewaltsamer Zuckungen bedürfe, hat unstreitig große Vorzüge, und seine Glieder müssen die Sorgfalt segnen, die für sie so wohltätig wirkt. Die Französische Revolution, wovon die gegenwärtigen Kriege die Fortsetzung sind, gab den Franzosen unter Blutvergießen und Stürmen einen ganz neuen Schwung. Alle schlafenden Kräfte wurden geweckt, das Elende und Schwache, veraltete Vorurteile und Gebrechen wurden – freilich zugleich mit manchem Guten – zerstört. Die Benachbarten und Überwundenen wurden mit dem Strome fortgerissen.“

Auch unsere gegenwärtigen Kriege zeugen von einer Veränderung welcher wir nicht durch Festhalten an westlich, moralisch demokratischem Althergebrachten beenden können.

„Unkräftig waren alle die Dämme, welche man diesem entgegensetzte, weil Schwäche, egoistischer Eigennutz und falsche Ansicht sie bald ohne Zusammenhang aufführte, bald diesen im gefährlichen Irrtum unterbrach und dem verheerenden Strome Eingang und Wirkung verschaffte. Der Wahn, daß man der Revolution am sichersten durch Festhalten am Alten und durch strenge Verfolgung der durch solche geltend gemachten Grundsätze entgegenstreben könne, hat besonders dazu beigetragen, die Revolution zu befördern und derselben eine stets wachsende Ausdehnung zu geben. Die Gewalt dieser Grundsätze ist so groß, sie sind so allgemein anerkannt und verbreitet, daß der Staat, der sie nicht annimmt, entweder seinem Untergange oder der erzwungenen Annahme derselben entgegensehen muß. Ja selbst die Raub- und Ehr- und Herrschsucht Napoleons und seiner begünstigten Gehilfen ist dieser Gewalt untergeordnet und wird es gegen ihren Willen bleiben. Es läßt sich auch nicht leugnen, daß unerachtet des eisernen Despotismus, womit er regiert, er dennoch in vielen wesentlichen Dingen jene Grundsätze befolgt, wenigstens ihnen dem Schein nach zu huldigen genötigt ist.“

Die reine Demokratie müssen wir noch dem Jahre 2440 überlassen.

Dieser, etwas merkwürdige Satz, erklärt sich aus einem Buch von Mercier, einem frühen französischen Utopisten: Das Jahr 2440: ein Traum aller Träume, 1771 erschienen und schon 1772 ins Deutsche übersetzt.

Nun sind seit 1807 über 200 Jahre vergangen und von einer reinen Demokratie noch immer keine Spur.

Am Schluss des Vorwortes schreibt Mercier ganz ahnungsvoll:

Warum kann ich dich, so sehr verlangtes Jahr, dass meine Wünsche rufen, doch nicht anders als im Traume sehen? Eile herbei, komm und zeige uns das Glück der Welt! Aber was sage ich? Befreit von dem Blendwerke eines schmeichelhaften Traumes fürchte ich, ach ich fürchte viel mehr, dass deine Sonne nicht eines Tages über einen ungeheuren Haufen von Asche und Ruinen traurig erscheinen möge.

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