Do. Nov 21st, 2024

Friedenstauben haben derzeit einen schweren Stand, Foto: Nika Lauris Logo, Link

„Letztlich wird der Frieden über den Krieg siegen. Nicht die Waffendepots und Kriegsstrategien werden das letzte Wort haben, sondern Friedensinitiativen,“ meinte der katholische Erzbischof Ludwig Schick 2011 (wiesentbote.de). Damals wies er auf “den Bürgerkrieg in Libyen, die Unruhen in der Elfenbeinküste, in Somalia und im Sudan”. Schick kritisierte Waffenlieferungen an die Gegner des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddaffi. Bekanntlich führte der mit Hilfe von NATO-Staaten ausgeführte Sturz und Tod Gaddafis zum Bürgerkrieg. Die Waffenlieferungen des Westens endeten in den Händen von islamistischen Terroristen, die seitdem die Bevölkerung der Sahel-Zone bedrohen. Schicks damalige Warnungen und Appelle sind auf die heutige Lage übertragbar, in der manche von einer fraglichen Zeitenwende schwadronieren: „Wir haben keine Friedenspotenziale, sondern nur Waffenarsenale. Wir entwickeln keine Friedensinitiativen, sondern setzen auf Kriegsstrategien.“ Waffenlieferungen in Krisengebiete hielt der Erzbischof für einen unverzeihlichen Fehler und er forderte ein Umdenken der Europäer und Amerikaner, ganz konträr zu dem, was die sogenannte “Zeitenwende” will, die nichts Neues bietet, sondern eine Rolle rückwärts in den Militarismus bedeutet.

Papst Franziskus appelliert, Verhandlungen über einen Waffenstillstand in der Ukraine zu beginnen. Im Interview mit dem Schweizer TV-Sender RSI, das am 20. März 2024 ausgestrahlt wurde, begrüßte das Kirchenoberhaupt, wenn jemand den Mut habe, “die weiße Flagge zu schwenken und zu verhandeln” (youtube.de). Diese Einschätzung provozierte erwartungsgemäß Schnappatmung bei Befürwortern von Waffenlieferungen an Kiew. Die FDP-Politikerin und Rüstungslobbyistin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (lobbypedia.de) “schämt” sich seitdem, eine Katholikin zu sein (n-tv.de). Auch osteuropäische Politiker äußerten ihren Unmut. Der polnische Außenminister Radosław Sikorski twitterte: “Wie wäre es zum Ausgleich, Putin zu ermutigen, die Courage zu haben, seine Armee aus der Ukraine zurückzuziehen? Frieden würde unmittelbar eintreten, ohne dass Verhandlungen erforderlich wären.” Verkünder des NATO-Narrativs greifen also zu jenem rhetorischen Mittel, das sie ihren eigenen Kritikern vorwerfen, zum sogenannten “Whatsaboutism”. Und auch Edgars Rinkevics, lettischer Staatspräsident, konnte sich einen Twitter-Kommentar zu den Papst-Äußerungen nicht verkneifen: “Mein Sonntagmorgen-Kommentar: Man darf im Angesicht des Bösen nicht kapitulieren, man muss es bekämpfen und besiegen, so dass das Böse die weiße Flagge hisst und kapituliert.” (lsm.lv). Rinkevics trägt mit seiner selbstgerechten manichäischen Weltsicht nicht zu diplomatischen Lösungen bei. Es scheint geradezu, dass solche verhindert werden sollen.

Doch was hatte der Papst denn nun wirklich im Interview gesagt? Im Gespräch mit Lorenza Buccella war die Farbe Weiß ein Leitmotiv, das der Interviewer zu verschiedenen Themen ansprach, schließlich auch zum Krieg in der Ukraine: „In der Ukraine gibt es diejenigen, die den Mut zur Kapitulation, zur weißen Fahne, fordern. Aber andere sagen, dass dies die Stärksten legitimieren würde. Was sagen Sie dazu?“ Darauf antwortete Franziskus: „Das ist eine Interpretationsweise. Aber ich denke, dass der stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt und den Mut hat, die weiße Flagge zu schwenken und zu verhandeln. Und heute kann man mit Hilfe der internationalen Mächte verhandeln. Das Wort ,verhandeln‘ ist ein mutiges Wort. Wenn du siehst, dass du besiegt wirst, dass die Dinge nicht gut laufen, habt den Mut, zu verhandeln. Du schämst dich, aber wenn du so weitermachst, wie viele Tote wird es dann geben? Verhandele rechtzeitig, suche ein Land, das vermittelt. Heute, zum Beispiel im Krieg in der Ukraine, gibt es viele, die vermitteln wollen. Die Türkei zum Beispiel… Schämt euch nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird.“ Im Gegensatz zu seinen Gegnern setzt der Papst Verhandlungen nicht mit Kapitulation gleich: „Verhandlungen sind nie eine Kapitulation. Es ist der Mut, das Land nicht in den Selbstmord zu treiben.“ Schließlich wies er darauf hin, wem Krieg vor allem nutzt: „Es mag ein Krieg sein, der aus praktischen Gründen gerecht erscheint. Aber hinter einem Krieg steht die Rüstungsindustrie, und das bedeutet Geld…“ (vaticannews.va).

Franziskus empfiehlt den Ukrainern Verhandlungen, um angesichts der sich abzeichnenden Niederlage zu retten, was zu retten ist, statt weitere Menschenleben für einen aussichtslosen Stellungskrieg zu opfern. Gewiss wäre die ukrainische Verhandlungsposition im April 2022 deutlich günstiger gewesen, doch das westliche Establishment wünschte die Fortsetzung des Krieges, um Russland zu schwächen. Diese Taktik ging offensichtlich nicht auf.

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Baltischer Protest: “Papst rühmt die Tradition des russischen Imperialismus” – Lett-landweit (lettlandweit.info)

Ein Gedanke zu „Ostern 2024: Friedensbotschaft nicht gefragt“
  1. Sehr erfreulich, daß unser Papa auf seine alten Tage noch sowas Vernünftiges sagt. Hätte ich von ihm nicht erwartet.
    Zack-Pimmelmann hat schon viele andere Gründe sich zu schämen. Aber können das Politiker noch: sich schämen?

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