Mo.. März 10th, 2025

Winterwetter in Riga, Foto: Udo Bongartz

Der Winter in Riga ist nicht mehr das, was er vor einem Jahrzehnt noch war, als Lettland zu dieser Jahreszeit noch in bayrischen Farben glänzte: Mit blauem Himmel, von der Sonne vergoldet, über glänzendem Schneeteppich – das Ganze freilich bei klirrender Kälte. Heutzutage sinkt das Thermometer nur noch gelegentlich unter null Grad, der Himmel ist tagelang von einem düsteren, konturlosen Grauschleier überzogen; der lettische Winter gerät für Depressive zu einer geradezu lebensbedrohlichen Jahreszeit. Dennoch sind lettische Einwohner über die schneefreie Zeit nicht wirklich unglücklich. Die kaum mehr frostige Witterung senkt die Heizrechnung, die bei Temperaturen, wie sie einst üblich waren, bei den heutigen Energiepreisen in die Privatinsolvenz führen könnte.

Lettische Meteorologen und Klimaforscher bestätigen den weltweiten Trend: Der Planet wird zu rasch wärmer und dieses Phänomen ist – man muss es in Zeiten rechter, von Lobbyisten der Öl-Industrie angerichteten Volksverdummung offenbar immer wieder wiederholen: Dieses Phänomen ist menschengemacht. Seit der Industrialisierung erhöhte sich die Durchschnittstemperatur bereits um über ein Grad, in Lettland sogar um 1,5 Grad. Doch Besorgnis und Empörung über diesen zerstörerischen Trend halten sich in Grenzen. Zuerst soll die Autoindustrie „gerettet“ werden, damit der rücksichtslose westliche Way of Life. Die angeschafften Statussymbole sind heilig. Mit dieser zerstörerischen Lebensart, die Menschen in anderen Erdteilen mehr ruiniert als die Westler selbst, wird die soziale Hierarchie verteidigt, die sich in der Präsenz von Luxusgütern verdinglicht.

Freilich zeigt sich in der Verteidigung des Verbrennermotors die spätchauvinistische Unbeirrbarkeit: „Mein Auto gehört mir.“ In Deutschland endet Umweltpolitik schon beim Versuch, ein Tempolimit auf den Rennpisten namens Autobahn einzuführen. Der motorisierte Verkehr ist auch in Lettland der Bereich, der wegen weiter steigender CO²-Emissionen Umweltpolitikern zu schaffen macht. Lettland hat sich gegenüber der EU verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften und schon ab 2030 nur noch erneuerbare Energie einzusetzen. Seit 1990 scheint die Entwicklung günstig: Die Emissionen haben sich deutlich verringert; doch dies ist hauptsächlich dem Umstand zu verdanken, dass die energieintensive Industrie aus der Sowjetzeit in den 90er Jahren pleite ging und das Land sich deindustrialisierte. Im internationalen Vergleich schneidet Lettland aktuell eher mäßig ab. Laut Tabelle des Climate Change Performance Index (CCPI), der u.a. von der NGO Germanwatch erstellt wird, befindet sich Lettland unter 67 Ländern auf Platz 36 mit absteigender Tendenz (ccpi.org). Die Indexmacher beklagen, dass die lettische Politik vor allem darauf zielt, sich von Russland unabhängig zu machen, dabei Klimaziele vernachlässigt und sie der EU überlässt. „Insgesamt möchte Lettland bei den EU-Klimaverhandlungen nicht als Hindernis wahrgenommen werden, ist aber gleichzeitig nicht bereit, sein Wirtschaftswachstum übermäßig zu belasten,“ stellen die Autoren des CCPI fest.

Neben dem Verkehrssektor sind ausgerechnet Land- und Forstwirtschaft Problemfelder lettischer Umweltschützer. Wälder und Moore als CO²-Speicher werden abgeholzt bzw. für Torfabbau verwendet. Die Biomasse geht schneller als Pellets und Brennholz in Rauch auf, als sie nachwachsen kann. Der Bedarf stieg, als die lettische Regierung die Pellet-und Holzeinfuhr aus Russland und Belarus untersagte. Auch das hektische Fördern der Windenergie hat kaum ökologische Beweggründe. Als die Regierung von Ministerpräsident Krisjanis Karins kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine beschloss, zentral von Riga aus Standorte für Windkraftanlagen zu planen, ohne betroffene Gemeinden und Bewohner vor Ort zu beteiligen, geschah dies in der Absicht, sich von russischen Stromlieferungen abzunabeln. Dies hat man jüngst mit der Trennung vom Elektrizitätsnetz des ungeliebten Nachbarn erreicht.

Die Lügen, Widersprüche und Ungereimtheiten verdeutlichen die Sackgasse, in die die westliche Zivilisation geraten ist, die sich zu lange für vorbildlich und überlegen hielt und Entwicklungsländern hochmütig fragwürdige Lehren erteilte. Würden alle so rücksichtslos wirtschaften wie die überwiegend Wohlhabenden und Reichen westlicher Gesellschaften, benötigte die Menschheit mehrere Planeten. In solch wirren und widersprüchlichen Zeiten kann ein Komiker, über den vor zwei Jahrzehnten alle nur gelacht hätten, US-Präsident werden – Peter Sellers sah ihn bereits 1979 voraus, als er einen solchen, freilich weniger unsympathisch als Trump, im Film „Willkommen Mr. Chance“ darstellte; ebenso scheint ein Titel des Bestseller-Autors Johannes Mario Simmel wie eine unheilvolle Ahnung: „Mit den Clowns kamen die Tränen.“

Mara Bukovska recherchierte für LSM zur Klimapolitik, nannte Zahlen und befragte Umweltexperten (lsm.lv). In ihrem Artikel forderte sie die Quadratur des Kreises: „Wenn die Emissionen wegen der wirtschaftlichen Entwicklung weiter ansteigen, muss Lettland wirksamere Wege finden, um die Emissionen zu reduzieren, ohne das dringend benötigte Wirtschaftswachstum zu behindern.“ Der grüne Kapitalismus als neue Heilslehre: Verbrennermotoren werden durch Elektromotoren ersetzt, die Sonne scheint, Tesla und BMW wachsen weiter, damit auch die Profite ihrer Besitzer und alles wird gut. Dumm nur, dass die letzten Jahrzehnte zeigten, dass sich die Umwelt des Menschen nur in Zeiten weltweiter Rezession ein wenig erholte. Finanzkrise und Covid 19 taten mehr für den Umweltschutz als alle Regierungspläne zusammen. Wirksamer Umweltschutz ist mit wirtschaftlichem Wachstum nicht zu machen; Klaus Dörre warnt vor der ökologisch-ökonomischen Zangenkrise und davor, die Umweltkrise auf dem Rücken der Armen und sozial Benachteiligten auszutragen, denn das wird die sozialen Konflikte weiter verschärfen (youtube.de). Doch derzeit regieren Clowns, lenken ab und frohlocken mit ihrem chauvinistischen Weiter-so. Der Natur wird es egal sein. Wenn die Menschheit sich nicht bewährt, macht sie eben mit Kakerlaken weiter.

Link zum Thema:

Macht Lohnarbeit frei? Zur Trennung von Produktion und Gewissen in alltäglichen Arbeitsprozessen

Ein Gedanke zu „Klimapolitik? Lieber Kopf in den Sand!“
  1. Sorry! Störe nicht weiter, aber ich kann mir zu diesem Medienhype und Big Business um eine angebliche Klimaapokalypse den Kommentar eines inzwischen verstorbenen Dorfschmiedes aus Sachsen-Anhalt nicht verkneifen! Er sagte, daß wenn man einer Frau etwas verkaufen will oder mit ihr schlafen will, dann muß man ihr Blödsinn erzählen – je mehr Blödsinn desto besser! Er sagte es zwar in einem anderen Zusammenhang, aber in Anbetracht der Tatsache, daß der Klimawandel hauptsächlich eine Luxussorge einiger mutmaßlich in einer anderen und völlig entrückten Welt lebenden Millionenerbinnen und einiger exzentrischer Akademikerinnen sowie offenbar geltungssüchtiger bildungsferner Politikerinnen zu sein scheint, muß ich immer wieder an diesen humorvollen Dorfschmied denken und kann damit die katastrophalen Auswirkungen sogenannter Klimaschutz-Politik sogar mit einem inneren Lachen zur Kenntnis nehmen!

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