Sa. Nov 23rd, 2024
Belarussischer Su25-Kampfjet, der Atombomben transportieren könnte, Foto: Dmitriy Pichugin – http://www.airliners.net/photo/Belarus—Air/Sukhoi-Su-25/1998003/L/, GFDL 1.2, Link


Nur beiläufig nimmt die Öffentlichkeit zur Kenntnis, dass im Zuge der Remilitarisierung in Ost und West auch die nukleare Bedrohung steigt. Belarus trat 1993 als erster Staat der ehemaligen UdSSR dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen bei und lieferte bis 1996 alle stationierten Atomwaffen an Russland aus. Im Budapester Memorandum von 1994 gewährten die USA und Großbritannien Minsk Sicherheitsgarantien, die aber rechtlich unverbindlich blieben. Im Februar 2022 wurde Belarus wenige Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine in den Konflikt der Nachbarländer einbezogen. Alexander Lukaschenko ließ am 27. Februar 2022 ein Referendum durchführen, um den Satz „Die Republik Belarus strebt an, ihr Territorium zu einer atomwaffenfreien Zone und den Staat zu einem neutralen Staat zu machen“ aus der Verfassung zu streichen.

Die belarussische Menschenrechts- und Friedensorganisation Unser Haus, deren Mitglieder vom Regime verfolgt und inhaftiert werden, informierte Lettlandweit, was über Atomwaffen in ihrem Land bekannt ist. Im März 23 kündigte Wladimir Putin an, taktische Atomwaffen im Nachbarland stationieren zu wollen. Das belarussische Regime ließ ein Lager für nukleare Sprengköpfe errichten. Bis November 2023 überquerten in mehreren Etappen Züge die russisch-belarussische Grenze, die Elemente für taktische Atomwaffen lieferten. Diese Transporte waren streng geheim. Die belarussische Eisenbahn entließ Mitarbeiter, die im Verdacht standen, sich „illoyal“ zu verhalten.

Unser Haus geht davon aus, dass nun nukleare Sprengköpfe gelagert werden, die von Iskander-Raketen oder von Su25- oder Su30-Kampfjets abgefeuert werden können. Die Reichweite beträgt bis zu 500 Kilometer. Sprengköpfe bis zu 50 Kilotonnen TNT können transportiert werden (die Hiroshima-Bombe hatte etwa 14 Tonnen TNT). Anzahl und Standorte der Atomwaffen sind der Öffentlichkeit nicht bekannt.

Das belarussische Regime stellt die atomare Wiederbewaffnung als Sicherheitsmaßnahme dar. Verteidigungsminister Wiktar Chrenin wies darauf hin, dass USA und Großbritannien ihre Sicherheitsgarantien nicht eingehalten hätten. Lukaschenko erklärte am 13. Juni 2023, dass er Putin selbst darum gebeten habe, „die Atomwaffen nach Minsk zurückzugeben“. Im Interview mit der russischen Propagandistin Olga Skabeeva fügte er hinzu: „Niemand hat jemals gegen ein Atomland gekämpft, ein Land, das Atomwaffen besitzt. Wir haben Raketen und Bomben von Russland erhalten. Die Bomben sind dreimal so stark wie in Hiroshima und Nagasaki. Sie werden bis zu eine Million Menschen auf einmal töten“. Mit anderen Worten: Diese Bomben könnten Vilnius, Riga oder Tallinn auslöschen.

Lukaschenko kündigte an, „im Falle einer Aggression gegen Belarus ohne zu zögern“ Atomwaffen einzusetzen. Damit erweckte er den Eindruck, als ob Belarus über deren Einsatz verfügen könne. Doch in Wirklichkeit hat Russland die volle Kontrolle über das belarussische Arsenal, wie Putin wiederholt betont hat. Damit folgt er der internationalen Praxis der Atommächte, den Einsatzbefehl nicht anderen Ländern zu überlassen, auch wenn die Atomwaffen auf ihren Gebieten aufgestellt werden. In der NATO nennt man das „nukleare Teilhabe“. Die US-Atomwaffen, die in der Eifeler Gemeinde Büchel stationiert sind, können nur mit US-Befehl benutzt werden. Bundeswehr-Piloten dürfen sie lediglich transportieren und abfeuern.

Laut einem Bericht der Tagesschau vom 26. März 2023 äußerte sich die Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) besorgt (tagesschau.de). Es sei eine „extrem gefährliche Eskalation“. Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg sei „das Risiko einer Fehleinschätzung oder Fehlinterpretation extrem hoch“. ICAN erinnerte daran, dass der UN-Atomwaffenverbotsvertrag aus dem Jahr 2017 den Ländern verbietet, Atommächten die Aufstellung nuklearer Waffen auf ihrem Territorium zu gestatten. 122 Staaten haben ihn unterzeichnet. Neben Belarus verweigerten NATO-Staaten wie Deutschland und Italien die Unterschrift. China, das von westlichen Medien als Verbündeter Russlands dargestellt wird, kritisierte 2023 die atomare Wiederbewaffnung von Belarus. Das chinesische Außenministerium nahm die Meldung mit „großer Besorgnis“ zur Kenntnis.

Unser Haus resümiert: „Die Stationierung russischer taktischer Nuklearwaffen in Belarus ist ein wegweisender Schritt, der die militärischen Spannungen in der Region verschärft und die Gefahr einer militärischen Eskalation erhöht. Für Belarus hat diese Entscheidung mehr Gefahren als Vorteile mit sich gebracht: Das Land hat sich in der Position einer „Geisel“ der russischen Nuklearstrategie wiedergefunden, die seine Unabhängigkeit und Sicherheit untergräbt.“

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