Nur noch selten sieht man eine private ukrainische Flagge in Liepaja.
Durch jemand Bekanntem treffe ich in Liepaja Andrej, einen 34 jährigen Ukrainer. Wir sprechen in einem kleinen Kreis unter anderem auch über die ukrainische Sprache. Ich sage zu dem Ukrainer die ukrainische Sprache ist auch nur wie ein Dialekt des Russischen bzw. des Slawischen wie unter anderem auch Polnisch, Tschechisch, Bulgarisch, das sei ähnlich wie mit dem Finnischen und Estnischen, oder auch wie Bayrisch und Hochdeutsch, im Groben würde man verstehen worum es geht. Einer der Teilnehmer bestätigte das. ja wenn man sehr gut Russisch kann versteht man auch ungefähr das Polnische und das ist Tschechische. Er versucht das zu bestreiten es mischen sich andere ein und schauen im Internet einiges nach und widersprechen der absolut eigenständigen ukrainischen Sprache. Die Vergleiche die dann besprochen wurden, z.b in einem Test wo der Ukrainer etwas auf ukrainisch sagte und mein lettischer Bekannter, der absolut solide russisch versteht, doch den Sinn und die Bedeutung diese ukrainischen Zitats eines Dichters verstanden hat und wiedergeben konnte. Denn der Ukrainer meinte dass man mit Russisch das nicht verstehen könne.
Er ist vor 9 Monaten nach Lettland geflüchtet, da ihm der Einzug in die ukrainische Armee drohte. Um aber die Grenze nach Moldawien überqueren zu können musste er 18.000 EUR aufbringen, welche er in bar um den Bauch geschnürt mit sich führte, begleitet von einer Grenzwache die er so bestechen konnte, das sie ihn ungehindert die Grenze verlassen liessen. Erst am Grenzstreifen zu Moldawien hat er dann das Geld übergeben. Allerdings hat noch eine andere Grenzwache hinter ihm hergeschossen. Das ganze war ein umständliches Prozedere über mehrere Vermittler. Ich fragte warum er nicht versucht hat, wie ich schon öfters gelesen habe, über den Grenzfluss in den Karpaten nach Rumänien zu gelangen. Er antwortete mir, ein Freund von ihm hat das versucht, ist aber noch nichtmals bis zum Fluss gelangt, da ihn vorher ein Bär in den Karpaten erledigt hat.
Er hätte sich vielleicht auch vorher freiwillig zur Armee melden können, dann hätte er wahrscheinlich einen etwas besseren Posten hinter Front bekommen können, aber wenn er zwangsrekrutiert wird gehts im Regelfall direkt an die Front. Auf meine Frage hin bezeichnet er sich nicht als Pariot, was dann auch gleich meine Gegenfrage ausgelöst hätte, warum er denn als Patriot und möglicher Soldat sein Land verlässt. Aber er habe ein regionales Heimatgefühl zu der kleinen Stadt in der Umgebung von Tscherkassy. Daraufhin fragte ich ihn, wie es denn wäre, wenn es zu einem wirklichen Waffenstillstand kommen würde, aber unglücklicherweise seine kleine Stadt unter der Herrschaft Russlands sich befinden würde, ob er dann denn dorthin zurückkehren würde. Nein auf keinen Fall, er kenne Russland und möchte dort nicht leben. Dann spricht er über seine Probleme. Er kam mit einer lettischen Freundin (sind jetzt aber getrennt) nach Aluksne und hat gedacht die wirklich reine lettische Kultur dort vorzufinden und hatte im Gegenteil das Gefühl. das dort alles ähnlich wie in Russland wäre und von lettischer Kultur und Identität keine Spur. Nun ist er in Liepaja und sucht für mindestens einen Monat eine kleine Wohnung zu mieten. Er ist selbständiger Programmierer, hat somit etwas Einkommen welches auf eine ukrainische Bank geht und kann mit der Karte die notwendigen Dinge bezahlen. Er beansprucht auch keine Hilfeleistungen vom lettischen Staat und möchte am liebsten nach Deutschland kommen um dort eine richtige Ausbildung zu machen. Allerdings hätte er schon die deutschen Behörden diesbezüglich angeschrieben, diese haben ihm aber den legalen Aufenthalt in Deutschland verweigert, da er als Flüchtling in Lettland anerkannt und registriert wäre. Er möchte auch in Deutschland kein Bürgergeld beziehen und würde auf sein Fahrzeug mit ukrainischer Nummer einen Aufkleber machen „Ich beziehe KEIN Bürgergeld“.
Nun gestaltet sich die Suche nach einer Wohnung in Liepaja sehr schwierig, trotz der Hilfe meines Bekannten, zahlreicher Anrufe auf Vermietungsanzeigen, kommt meist sehr schnell die Frage ob der mögliche Mieter ein Ukrainer wäre. Sobald das zugegeben wird sagt man in Liepaja im Regelfall Nein Danke. Man hab schlechte Erfahrungen mit Ukrainern gemacht, teils wären möbilierte Wohnungen nach dem oft unangekündigten Auszug nur teilmöbiliert gewesen. Sie finden eine Russin die bereit ist auch an einen Ukrainer zu vermieten, möchte ihn aber bei der Besichtigung politisch etwas belehren über die Russen in Lettland und die Unterdrückung, das wiederum war ihm zuviel, also geht die Suche weiter.
Auch in Liepaja hat er das Gefühl wenig von lettischer Kultur oder Identität vorzufinden, es sei eigentlich eine ziemlich russische Stadt.
So scheint also mehr und mehr der Spalt zwischen politischer Gesinnung der Regierung und der des Volkes sich aufzutun.