Fr. Okt 18th, 2024

Petropawlowsk

Am anderen Ende der Erde angekommen, in Petropawlowsk. Auch am Ende von Russland gewissermaßen. Aleksanders hatte jemanden beauftragt mich am Flughafen abzuholen der mich dann zu einem Hotel bringen würde. Maxim erwartete mich auch und wir fuhren Richtung Stadt und hielten im Aussenbezirk an einem Hotel an. Er meint das wäre ganz gut, würde 85 EUR die Nacht kosten. Dann erklärte ich ihm erstmal das meine Finanzen für solche Preise nicht vorgesehen sind, was ich mache, wie ich lebe. Gut dann suchte er im Internet Privatunterkünfte, rief hier und dort mal an, fast eine Stunde verging ohne Ergebnis, bis er dann einen Freund am Hafen kontaktierte, Kapitän einer Yacht für einen der vielen Oligarchen. Der empfahl dann Maxim ein kleines Hotel/Hostel direkt am Hafen, Caravelle. Wir fuhren dort hin, der Fischer- und Yachthafen liegt direkt in der “Altstsadt”, das war der erste Hafen in Kamtschatka.

Nachdem das mit dem Zimmer geklärt war, 20 EUR pro Nacht, der Betreiber ist ein Armenier, lud mich Maxim noch seinen Freund Konstatin gleich auf der anderen Strassenseite im Yachthafen zu besuchen.

Dort tranken wir einen Tee und plauderten ein wenig, ich probte mal Kapitänsstuhl.

Konstantin der Kapitän der Yacht erzählte, er sprach ganz leidlich Englisch, wie er zusammen mit Maxim vor ein paar Jahren die Yacht von Südkorea nach Petropawlowsk geschippert haben, das war ein Abenteuer. Zum Abschied schenkte er mir noch eine Flasche Samajgon, Selbstgebranntes aus Kamtschatka.

In einem der wenigen alten Häuser befindet sich eine Schaschlik Bar dort treffe ich per Zufall den Eigentümer des Hauses, Arkadi. Er würde gerne nach Italien auswandern und einen EU-Pass bekommen er meint das ginge wenn man sich jetzt in Moldawien registrieren würde als Einwohner dann könnte man wenn Moldawien zur EU kommt für 30.000 Dollar ca. auch den EU-Pass bekommen. Er ist ein alter Spieler hat schon im Casinos Unmengen von Geld gelassen jetzt ist sie nur noch das Haus geblieben welches er meint es für 400 000 $ verkaufen zu können, ich habe ihm gesagt dass hielte ich für sehr unrealistisch. Hier kostet ein Bier 1,50 EUR und das Schaschlik mit Fladenbrot ca. 6 EUR.

Heute den ersten Abend sitze ich an der Awatscha Bucht nach Angaben der Einwohner die grösste natürliche Bucht auf der Erde. Ein Teil der Bucht ist leider nicht zugänglich, ich dachte angesichts der sich ausbreitenden Kriegsgefahr und möglichen Atomschlägen wäre ich hier in Kamtschatka am sichersten Teil der Erde, – Irrglaube in der Bucht befindet sich die militärische Sperrzone mit russischen Atom U – Booten, und man sagte mir nur 100 km von der Küste patroulieren die amerikanischen Kriegsschiffe …

Die Stadt ist ziemlich abgerockt, ich werde die nächsten 14 Tage in dem billigen Hotel am Hafen verbringen. Weshalb könnte man fragen?
Die Neugier, welche nicht durch Ansehen von Bildern, sondern nur durch Erleben befriedigt werden kann?
Die Lust am Abenteuer der Adrenalinkitzel wenn man sich in völlig unbekannte Gegenden begibt, das Ausgeliefert sein in ungeplante Situationen? Oder einfach die Überdrüssigkeit seines gewohnten alltäglichen Selbst?

Die letzte Grille hörte ich heute spätnachmittag zirpen, vergeblich, wie alles auf Zeit gespielt. Wie Dimitri so schön sagte, Glück ist etwas für Lügner. Der Sichelmond steht noch über den Wolken linkslastig und wird bald verschlungen sein. Und wieder schaut man übers Meer gen Westen oder kann man von hier aus immer noch nach Osten schauen? Und eine Möwe kackt mir aufs Knie.

Bevor der Wahnsinn sich nur im Kopf ausdehnt, soll er in unsinnigen ziellosen Handlungen münden.

Geschichte Kamtschatkas und Petropawlowsks

Iwan Iwanowitsch Kamtschaty nahm 1657 an der an der Entdeckungsfahrt Fjodor Alexejewitsch Tschukitschews teil, welche beide bis zum grössten Fluss Kamtschatkas führten, der auch heute noch den Namens des Mitentdeckers trägt, ebenso wie die Halbinsel.

Mit Daniel Gottlieb Messerschmidt begann die eigentliche wissenschaftliche Erforschung Sibiriens, Peter der Grosse lernte ihn in Danzig 1716 in Danzig kennen und überredete ihn eine Forschungsexpedition nach Sibirien zu unternehmen.

1725 bis 1730 brach Vitus Bering ebenfalls auf Anregung Peter des Grossen nach Kamtschatka auf, um eine Landverbindung nach Amerika zu entdecken, das Ergebnis war enttäuschen, deshalb brach er 1733 zur Zweiten Kamtschatkaexpedition auf. Mit über 3000 direkt und indirekt beteiligten Personen war die Zweite Kamtschatkaexpedition eines der größten Expeditionsvorhaben der Geschichte. Die Gesamtkosten des vom russischen Staat finanzierten Unternehmens beliefen sich auf die für damalige Zeiten unvorstellbar hohe Summe von geschätzten 1,5 Millionen Rubel, was ungefähr einem Sechstel der Einnahmen Russlands im Jahr 1724 entsprach! Auf dieser Expedition bewährte sich Georg Wilhelm Steller, welcher unzählige botanische und zoologische Beabachtungen unternahm und zeichnete, unter anderem die schon lange ausgestorbene Seekuh noch lebend sah und und zeichnete.

Obiges Bild zeigt die Schädelreste der Stellerschen Seekuh im Historischen Museum von Kamtschatka, unten folgend die Büste Berings und ein altes Schiffsruder, natürlich darf der Bär nicht fehlen.

Noch ein merkwürdiger Fund ist im Museum ausgestellt:

Dieser Kraftstoffdeckel wurde bei der Kurillen Expedition im Bezug auf Überreste der japanischen Erboerungstätigkeiten im 2. Weltkrieg gefunden.

Wie und warum das deutsche Fass den Weg bis zu den Kurillen gefunden hat bleibt wohl eine verborgene Geschichte, die Theorie wäre, da Japan mit Deutschland verbündet war haben die Deutschen die Japaner teiklweise mit Treibstof versorgt 1943, obwohl sie selber an Treibstoffmangel litten?

George Kennan berichtet von seiner Reise nach Sibirien 1864

über das Städtchen Petropawlowsk:
“Mit dem Namen kommt Kamtschatka hatten wir in unserem Geiste stets die Vorstellung von Unfruchtbarkeit und unwirtlichkeit verbunden, und der Gedanke wäre uns gar nicht gekommen, dass dies Land schöne Szenerie oder üppige Vegetation bieten würde Punkt wir hielten es für eine ausgemachte Sache, dass in dem eisigen Klima höchstens Moose, Flechten und vielleicht noch ein wenig Gras den ungleichen Kampf ums Dasein führen könnten. Man kann sich vorstellen, mit welchem Entzücken und welche Überraschung unser Auge auf den grünen Hügeln ruhte, die mit Bäumen und Gebüsch bedeckt waren, auf Tälern mit weißglühendem Klee und Heinen von Silberbirken selbst von den Felsen nickten uns wilde Rosen und Akelei zu die in den Spalten derselben Wurzel gefasst als ob die Natur die Beweise früherer Umwälzungen unter einer Blumenhülle verbergen wolle. In einer kurzen Stunde kamen wir in Sicht der hohen isolierten Felsen, die drei Brüder genannt, fuhren an einer felsigen, steilen Insel vorüber, die von einer Unzahl schreiender Möwen und Enten mit Papageienschnäbeln umgeben war, und gegen 2 Uhr befanden wir uns auf der Höhe der Landzunge, welche die Awatcha Bai bildet, und auf der das Dorf Petropawlowsk liegt. Die Szenerie übertraf unsere kühnste Erwartung. Grüne Täler zogen sich von den Einschnitten der felsigen Küste bis in die fernen Berge….”

“Eine kleine Gruppe von Blockhäusern mit roten Dächern, eine griechische Kirche von eigentümlichem Stil mit grüner Kuppel, ein schmaler Strand ein höchst vernachlässigter Landungsplatz zwei Walfischboote und das abgetakelte Wrack eines halb versunkenen Schiffes das war es was ich unseren Blicken darbot. Ruhe, mit Bäumen verdeckte Hügel umgaben die Ansiedlung in einem Halbkreise und umschlossen fast den teichartigen ruhigen Hafen, eine kleine Bucht der Awatscha Bai. …”

“Die Stadt ist übrigens nicht charakteristisch kamtschadalisch, denn die civilisierenden Einflüsse fremden Verkehr haben sich hier geltend gemacht, in ihrer Lebens- und Denkweise findet man einige Spuren von Aufklärung und modernem Unternehmungsgeist. Schon seit Beginn des 18 Jahrhunderts hat es als Niederlassung existiert und wäre alt genug um eine eigene Kultur zu besitzen, aber hohes Alter ist für eine sibirische Stadt kein Kriterium für Entwicklung, und Petropawlowsk ist entweder noch nicht zum Stadium der Reife gelangt oder in seine zweite Kindheit eingetreten, denn es befindet sich noch in sehr entwicklungsbedürftigen Zustande.
Es besitzt zwei Denkmäler zur Erinnerung an die berühmten Seefahrer Behrings und La Perouse, und auf den Hügel sind Spuren der zur Zeit des Krimkrieges errichteten Befestigung, um den Angriff der Verbündeten französischen und englischen Geschwader zurückzustoßen.”

5 Minuten von meinem Hotel auf dem von Kennan beschriebenen Hügel ist heute eine Ausstellung zur Verteidigung gegen Ende des Krimkrieges 1854 plaziert:

Sten Bergmann schreibt Anfang der 20er Jahre ähnliches in seinem Buch:
Vulkane Bären und Nomaden Reisen und Erlebnisse im wilden Kamtschatka

“Die russische Bevölkerung von Petropavlovsk ist recht gemischten Schlages. Des Pfarrers Charakteristik stimmt zum größten Teil. Ich merkte sehr bald dass man nach ihrem Vorleben, das sie vor ihrer Ankunft auf Kamtschatka geführt hatten, nicht fragen dürfte, denn man konnte vollkommen sicher sein, dass sie im Lande nicht geboren waren. Von allen erdenklichen Ecken des russischen Reiches waren sie gekommen. Man traf Leute aus der Krim und von Astrachan, von Archangelsk und Jakutsk, von Petersburg und Moskau sowie aus allen Städten und Dörfern Sibiriens. Aber von woher sie auch standen, sie zeigten alle denselben Charakter, dieselbe optimistische Ansicht von ihren Leistungen am nächsten Tage und dieselben Nitschewo Grundsätze in allem, was sie unternahmen.”

Ja, auch heute merkt man das die Ureinwohner im Stadtbild verschwunden sind und stattdessen, wie damals eine Menge Russen aus allen Gebieten des grossen Reiches hier vertreten sind.

Im Teil 4 folgen Gespräche und Wahnehmungen

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