Do. Nov 21st, 2024

Eine unsanierte Plattenbaufassade in Riga, Foto: Udo Bongartz.

Seit der Covid-19-Krise und dem russischen Angriff verteuerten unterbrochene Lieferketten und Sanktionen viele Waren. Besonders die Verteuerung der Energie hat Einfluss auf die gesamte Wirtschaft und bereitet ärmeren Verbrauchern finanzielle Probleme. Der abrupte Anstieg der Gaspreise trifft vor allem die Bewohner von Plattenbauten aus sowjetischer Zeit, die schlecht isoliert sind und mit Fernwärme beheizt werden. Die kommunalen Lieferanten des Heizwassers befeuern ihre Kraftwerke meistens mit Gas, das früher aus Russland kam und nun durch andere Lieferanten ersetzt werden muss.

Lettische Plattenbaubewohner müssen diese hohen Kosten hinnehmen, denn die Heizkörper lassen sich nicht regulieren; die Wohnungen werden sozusagen zwangsbeheizt. Für eine gründliche energetische Sanierung fehlt in vielen Haushalten das Geld; zudem müssten sich die Eigentümer der oftmals dutzende Parteien umfassenden Plattenbauten darüber erst mal einig werden.

Obwohl wegen des milden Winters die Gaspreise auf den Märkten der EU gesunken sind, mussten die Bewohner in den ersten Monaten 2024 sprunghaft gestiegene Heizkostenabrechnungen bezahlen. Laut Auskunft der kommunalen Hausverwaltung Rigas namu parvaldnieks kostete dem Eigentümer einer 58m² großen Wohnung in einem unsanierten Plattenbau im Januar 52 Euro mehr als im Dezember (lsm.lv).

Janis Mikelsons, Leiter der zuständigen staatlichen Regulierungsbehörde, erläutert gegenüber LSM, weshalb Plattenbaubewohner derzeit nicht von fallenden Gaspreisen profitieren: Lettische Versorger beziehen ihr Gas gerade aus dem Speicher von Incukalns, der im Sommer zu den damaligen Preisen befüllt wurde. Die Tarife werden voraussichtlich erst nach der Heizsaison günstiger.

Das Lettische Fernsehen befragte einige Bürger, wie sich ihre Heizkosten gestalten. Die “Rigenserin Ieva” antwortete: “Ich habe eine Einzimmer-Wohnung, in der ich selbst lebe, und plötzlich diese Rechnung! Nun, was solls. Ich kann es noch von der Rente bezahlen. Ich kaufe Sonderangebote. Rentner haben schon Zeit in ein Geschäft zu gehen, um vergünstigtes Brot zu kaufen. Rentner haben schon Zeit.” (lsm.lv)

Die schwindende Kaufkraft hatte Einfluss auf die lettische Inflation, die bis vor wenigen Monaten zu den höchsten in der EU zählte und sich gerade in den Dingen des täglich notwendigen Bedarfs auswirkte, nämlich Lebensmittel, Wohnen und Transport. Darauf können auch die armen Einwohner Lettlands kaum verzichten. Nun sinken manche Preise oder stagnieren, die Inflation ist gestoppt, doch das Preisniveau verbleibt deutlich höher als vor der Inflationswelle.

Rentner bleiben notgedrungen im Lande und bilden unter den lettischen Armen die größte Gruppe. Von jenen, die sich im erwerbsfähigen Alter befinden, nutzen viele die Chance, sich im westlichen Ausland nach besseren Lebensbedingungen umzuschauen. Der Brain Drain ist ungebrochen. Trotz der Abwanderung hat Lettland im Vergleich zu anderen EU-Ländern einen verhältnismäßig hohen Anteil von Armutsgefährdeten, 2022 mussten nach Angaben der Statistikbehörde 419.000 Einwohner mit monatlich weniger als 563 Euro auskommen. Diese Zahl markierte die lettische Grenze zur Armutsgefährdung.

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