Der STAMMTISCH LETTLAND ist eine über 2 Jahrzehnte zurückreichende Rigaer Tradition. Als Treffpunkt der deutschsprachigen Gemeinschaft war und ist er ein Fixpunkt des sozialen Austauschs. Er begleitet die Entwicklung unserer charmanten, wunderschönen Ostsee-Republik über alle Krisen hinweg. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen und gingen, die Tradition verschwand nie ganz. Über einige Jahre schlief sie ein. Seit dem Sommer 2024 findet der STAMMTISCH LETTLAND in modernisiertem Format wieder regelmäßig statt: jeweils zu einem Impuls-Thema, gefolgt von gemütlicher Geselligkeit (auf Deutsch).
Ein „Stammtisch“ ist im deutschsprachigen Kulturraum ein bestimmter Ort in der Gastronomie. Er ist „angestammt“, ein heiliges Ritual. Geht man hin, trifft man auf Freundinnen und Freunde. Geht man nach Hause, ist man zumeist etwas klüger und hat sein soziales Netzwerk gepflegt – oder sogar erweitert. Möglicherweise ist man auch ein wenig angetrunken. Aber niemals zu sehr.
Dieser ganz besondere Ort – mit einigen Abweichungen, die das Leben bringt (z.B. anlässlich des gemeinsamen „Public Viewing“ zur Bundestagswahl 2025) – wurde seit dem Jahr 2024 der höchst angesagte Āgenskalna tirgus, der vor wenigen Jahren fantastisch renovierte Markt und Flohmarkt im Stadtteil Hagensberg (Āgenskalns). Der architektonisch hochwertige Markt besteht seit 1898. Hier gibt es den halben Liter „Valmiermuižas alus“, ein lettisches Premium-Bier, für nur knapp mehr als 2 EUR. Unschlagbar.
In kulinarischer und sozialer Hinsicht macht es sich äußert praktisch und noch schmackhafter, dass alle Snacks und Speisen überall auf dem Markt, innen und außen, zu fairen Preisen eingekauft werden können. Nach eigenen Präferenzen. Vegetarisch. Vegan. Fleisch. Käse. Obst. Pizza. Georgisch. Usbekisch. Asiatisch. Lettisch. Man stellt sie auf den „Stammtisch“ und teilt gemeinsam.
Machen das 1, 2, 3 Stammtisch-Freunde, wird ein britisches Picknick ein karges Ereignis. Und regelmäßig nehmen mehr als 1, 2, 3 Deutschsprachige teil. Damit startet dann auch schon die Bildung und „Schwarmintelligenz“. Ein Flohmarkt der Ideen, Tipps, Kontakte, der Hilfe vor Ort, der Projekte, des Friedens und der Menschlichkeit, der Offenheit.
Ganz weit weg von der angespannten Lage und Instabilität der „Bundesrepublik“. Wobei unsere Freundinnen und Freunde aus Österreich sowie aus der gesegneten Schweiz immer herzlich willkommen sind. Jene aus Lettland ohnehin herzlichst. Gesamteuropäisch eingeparkt werden, kann direkt am Rigaer „Stammtisch“.

Der „Stammtisch Lettland“ vom 11. Mai 2025
Nach dem Mai folgt der Juni. Das ist nicht nur der Beginn des üblichen baltischen Traum-Sommers (dieses Jahr ein wenig verregnet). Der Juni bringt auch das Ende des Semesters der gut 1000 deutschen Medizinstudentinnen und anderen Studenten in Riga. Also war es sinnvoll, das Impuls-Thema „Studium in Lettland“ noch vor dem Ende der Prüfungsphase mit einem Schwerpunkt-Termin auf dem Āgenskalna tirgus anzugehen.
So traf man sich – über die Generationen hinweg – am 11. Mai zur üblichen Mittagszeit.
Regelmäßig gesellen sich um die 20 Teilnehmende, die sich für das tagesaktuelle Impuls-Thema interessieren. So auch an diesem letztlich doch nicht verregneten Mai-Tag. Eine glückliche Wendung, nach ersten Regentropfen des „Sommers“ 2025.
Deutsche Medizinstudenten wollen im Sommer nach Hause
Nun könnte man vermuten, dass ein europaweites Top-Reiseziel wie 500 km lettischer Strand, deutsche Studentinnen und Studenten zu wilden akademischen Exzessen in der vorlesungsfreien Zeit ab Juni reizen mag. Die Wirklichkeit liegt aber am heimischen Herd von Mama und Papa im tiefen Westen. Die lettische Luftfahrtgesellschaft „airBaltic“ ist ohnehin fester Bestandteil des Studentenlebens.
Spätestens ab Ende Juni eines Jahres hört man kaum noch Deutsch auf den Straßen Rigas. Denn die regulären Sommertouristen bleiben in Größenordnungen wegen der geopolitischen Lage leider aus.
Tatsächlich brachten die deutschen Studentinnen und Studenten seit dem bemerkenswerten Anwerbeerfolg der „Rīgas Stradiņa universitāte“ (RSU) sowie der „Latvijas Universitāte“ (LU) sowie – eingeschränkt für andere Ausländer auch – der „Rīgas Tehniskā universitāte“ (RTU) und der Vielzahl sonstiger Hochschulen unseres klugen, kleinen Landes die deutsche Sprache wieder zurück in das alltägliche Leben im öffentlichen Raum. Nur nicht während der Semesterferien.
Darum bliebt nur der Mai für einen STAMMTISCH LETTLAND zu diesem Impuls-Thema.
Auch in Zukunft wird man sich bei dem langfristigen Themenkreis „Studium in Lettland“ höflich nach den werten Studentinnen und Studenten richten.
Deren Zeit ist kostbar und knapp – zahlen Mama und Papa doch immerhin gute 6.000 EUR/Semester für Medizin sowie 7.000 EUR/Semester für Zahnmedizin Studiengebühr. Nur weil der „Numerus Clausus“ (NC) für die Zulassung zum Medizinstudium in der „Bundesrepublik“ mittlerweile die 1,0 erreichen kann. Die weiteren Lebenshaltungskosten, wie Miete und studentengerechte Ernährung (fest, flüssig), sind da noch nicht eingerechnet. Aber das Geld fließt in den lettischen Wirtschaftskreislauf. Das nennt man „Win-Win“.

Man erkennt freilich, dass ein guter „Stammtisch“ tatsächlich keine ad hoc „Sponti-Veranstaltung“ ist, sondern eines oft ausufernden Planungsvorlaufs auf allen möglichen Kanälen bedarf.
Viele Faktoren müssen in Betracht gezogen werden. Jede Menge Kommunikation bricht sich ihren Weg.
Ein „Stammtisch“ ist natürlich immer informell, locker, ausgelassen, gesellig (sehr schön in der englischen Variante auf Wikipedia erklärt, siehe oben). Aber besoffen gehts eben auch nicht. Weder in der Planung, noch in der Durchführung. So greifen die Generationen ineinander. In Riga. Auf Deutsch.
Schade ist dann aber auch, dass den Veranstaltungen des STAMMTISCH LETTLAND manchmal aus offizieller bundesrepublikanischer Richtung eher mit Subversion begegnet wird.
Richtig ist aber, dass sich die „neuen Deutschbalten“ nicht blind in das Fahrwasser der Instabilität, Tabus, Zensur, Repression im Westen begeben. In einer freiheitlichen Gesellschaft – wie in Lettland – ist das aber alles kein Problem. Hier reden die Menschen offen miteinander. So sie sich treffen. So sie reden.
Deutsche Studis in Lettland: nicht einfach
Reden ist wichtig. Sitzt man die gesamte Zeit der beiden ersten Semester, bis deutsche NC-Opfer möglicherweise (auch mit anwaltlicher Hilfe hier und da und dort) an eine Universität in der „Bundesrepublik“ wechseln können, in der zunächst häufig nicht optimalen Rigaer Studentenbude, vereinsamt und frustriert man allzu schnell.
Drogen, Alkohol, Kontrollverlust sind dann nicht weit. Moritz aus Düsseldorf krachte unter diesen Bedingungen multitoxisch mit einem Mietfahrzeug in einen Lastkraftwagen. Dank Stammtisch-Kontakten „befreite“ ihn die sehr gut Deutsch sprechende und in Berlin studierte lettische Rechtsanwältin Elīna Čakste nach 2 Nächten aus dem örtlichen Gefängnis. Ein Trauma des Auslandstudiums.
Ohne den „Stammtisch“ hätte Moritz vermutlich noch mehr gelitten.
Er litt wirklich, erzählt sein Vater.
Hilfreich war die mehr als 2 Jahrzehnte alte, ehrwürdige Institution auch für eine weitere Studentin aus Westdeutschland. Die junge Dame verfing sich in einem üblen, ortsüblichen Mietvertrag und in den, nach eigenem Befinden, nicht hinreichenden Wohnbedingungen in ihrer Rigaer Studentenbude. Die gleichfalls aus Düsseldorf angereisten Eltern waren höchst besorgt, ohne in dem fernen Land, das so anders als Nordrhein-Westfalen ist, irgendwie helfen zu können. Aber die Familie fand zum STAMMTISCH LETTLAND.
Das Stammtisch-Netzwerk stellte der wirklich sehr Hübschen und Klugen – aber auch Verzweifelten – einen Deutsch und Lettisch sprechenden Mentor zur Seite. Sie fand eine viel bessere neue Wohnung und lebt glücklich bis zu ihrem Studienende im feinsten Zentrum einer der schönsten Städte Europas. Sie will in Riga bis zum lettischen Arztdiplom durchstudieren.
Sara aus Westdeutschland indes, sie liebt Lettland und ihr endendes Studium hier. Auch Sara fand sozialen Anschluss. Sie geht mit lettischen Freundinnen und Freunden weg. Sie feiert. Sie bleibt im Sommer. Sara sagt:
„Wäre die Bezahlung nicht so schlecht, bliebe ich nach dem Studium hier und würde hier arbeiten.“
Die smarte junge Dame spricht dabei kein Lettisch oder Russisch. Muss sie auch nicht. Denn Deutsch- und Englisch-sprechende Mediziner fänden im immer reicher werdenden Lettland gewiss in einer der vielen Privatkliniken ihre Patienten. Okay, wollte sie eine lettische Arztzulassung (Approbation) erlangen, müsste sie die Landessprache schriftlich und mündlich beherrschen und dies auch nachweisen. Das steht jedem lettischen Mediziner in der „Bundesrepublik“ analog mit dem „Goethe-Zertifikat B2“ ins Haus.
So hielt es der perfekt deutsch sprechende Orthopäde Juris Brūklis. Er sammelte Berufserfahrung in der „Bundesrepublik“ und entschied sich am Ende des Tages, als Privatarzt in Riga zu arbeiten und heimzukehren – in die Zukunft.
Heute betreut er medizinisch und auf Deutsch auch deutsche, österreichische, schweizerische Seniorinnen und Senioren in Lettland.
In der „Bundesrepublik“ müssten die gesetzlich bei AOK oder Ersatzkassen versicherten Silberschöpfe ohnehin zuzahlen oder auf einen Arzttermin warten. Ein kleiner Scherz, der in einem Sozialstaat eigentlich überhaupt nicht witzig ist.
Indes machte Kian aus Berlin seinen Weg. Vom Jahrgangssprecher der Medizinstudenten der RSU, inklusive Abschlussrede vor dem gesamten Auditorium offline und online, direkt in ein Krankenhaus seiner Heimatstadt Berlin und in die bundesrepublikanische Wirklichkeit im implodierenden Gesundheitswesen. Aber nie wieder wird Kian Lettland vergessen und für immer werden seine Sympathien bei der kleinen Ostsee-Republik im Nordosten liegen.
Jüngst nahm er sogar an einem Marathon in Riga teil. Auf der Laufstrecke kollabierte ein Mitläufer aus Estland. Bevor der Läufer starb, brachte Kian seine medizinischen Fähigkeiten für die Reanimation ein. Traurigerweise zu spät.
Die deutschsprachigen Ärzte Rigas kommen am Ende des Tages uns allen zugute. Egal wo wir sind. Oder sein werden.
Wen fragt man bei Problemen?
Kians Bruder, Nikan, ebenso Sproß der deutsch-persischen Medizinerdynastie, damit nach seinem großen Bruder schon die dritte Generation der Familie auf dem Weg in den Arztberuf, wurde in absoluter Not aus der deutschsprachigen Gemeinschaft Rigas gerettet. Oder besser das Familienbudget. Der kleine Bruder machte den Fehler, den viele Bundesdeutsche im fremden Land machen. Er las nicht das Kleingedruckte der hippen Autovermietungsapp „Beast“ aus Estland. Wobei das nicht nur ein Problem bei diesem Anbieter von elektrischer Minutenmobilität ist.
Jedes unschöne Ereignis wird mit drastischen Vertragsstrafen belegt. In Lettland herrscht weitgehende Vertragsfreiheit. Solche „versteckten Gebühren“ können sich dummerweise böse addieren, so etwas geschieht, das besser nie geschehen wäre (z.B. Unfall, Speeding, Panne, Verschmutzung). Im Fall des Studienanfängers aus dem Berliner Westend waren es halt vom Vermieter überfüllte Reifen eines Teslas. Der Überdruck glich sich auf Höhe des „Kalnciema Ezītis miglā“ zeitgleich durch das Platzen aller 4 Reifen aus. Für die Felgen ist so etwas auch nicht gut. Die werden ohne Luftdruck binnen weniger Meter beschädigt.
Der Knall erreichte im nächsten Schritt die Brieftasche des Studenten: das Rigaer Büro der „coolen“ App aus „E-Stonia“ forderte Schadensersatz und Vertragsstrafen aus den verdeckten Klauseln des nur elektronisch dokumentierten Mietvertrags. Insgesamt sollte der Tesla-Kurztripp so unrunde 10.000 EUR kosten.
Der kluge Nikan wandte sich aber an einen Mentor der „neuen Deutschbalten“ in Riga. Sein Fall wurde zunächst strukturiert, dann mit dem lettischen Rechtsanwalt Indulis Balmaks besprochen. Balmaks ist sowohl Mitglied der lettischen Anwaltskammer als auch der Berliner Kammer. Mit dieser besonderen Aufstellung und Kompetenz erdete er die dreiste Tesla-Vermietung sehr schnell. Die Berliner Arztfamilie sparte, dank Hilfe des deutschen Netzwerks in Riga, schöne 10.000 EUR.

Bundesrepublikanische Institutionen in Lettland
Sehr verdienstvoller Weise verdingt sich die „Bundesrepublik“ seit nun gut 3 Jahrzehnten in der Förderung und institutionellen Unterstützung deutsch-lettischer akademischer Strukturen, Netzwerke, Kooperationen, Austauschprogramme.
Herausgehoben seien hier zu erwähnen, wegen ihrer Verdienste, der „Deutsche Akademische Austauschdienst“ (DAAD) sowie das „Baltisch-Deutsche Hochschulkontor“ (Baltijas-Vācijas augstskolu birojs), das in enger Kooperation mit dem DAAD steht, online immerhin mit einer als unsicher markierten Website unter der .lv Domain.
Die für den „Stammtisch“ bislang unbekannten Aktivitäten des „Hochschulkontors“ – das sich offenbar mittels deutscher Steuergelder um den Austausch von Dozentinnen und Dozenten bemüht – sowie des mittels E-Mail leider sehr schlecht erreichbaren DAAD in Riga, werden sicherlich noch genug Substanz für erhellende Folgeveranstaltungen bieten. Aus der Stammtischgemeinschaft wurde im Nachgang der Erstveröffentlichung dieses Blog-Beitrags angeregt, auch die Aktivitäten des „Goethe-Instituts“, immerhin der Institution der auswärtigen Kulturpolitik der „Bundesrepublik“ schlechthin, in Lettland zu diskutieren.

Irritierend erscheint es, dass die bundesrepublikanische Botschaft in Riga keinen proaktiven, kritischen Blick auf das Treiben der Institutionen zu werfen scheint. Man erheitert sich lieber auf sporadischen Empfängen als Tätigkeitsnachweis. Die dann – wir sehen auf dem Foto oben die Botschafterin der „Bundesrepublik“ – offenbar nicht mal allzu unterhaltend waren.
Im Zeitalter von „300-Millionen-für-Radwege-in-Peru“ sollte jede Verausgabung von bundesrepublikanischen Steuergeldern (dort häufig – auch in Behörden – schlicht „Staatsknete“ genannt) doch innerhalb der Rigaer Botschaft erhöhte Betriebsamkeit auslösen.
Weit gefehlt.
Als nächstes hat der Überbringer dieser Nachricht vermutlich eine Hausdurchsuchung „im besten Deutschland aller Zeiten“ zu erwarten. Nun, wir kennen uns. Aber kennt auch ihr den DAAD und das HOCHSCHULKONTOR in Lettland? Wirklich?

Am Ende dieses Mai-Tages blieb für alle Teilnehmenden der Eindruck haften, dass das Studium in Lettland kein Spaziergang ist. Die Belastungen, auch jene, die man zuerst nicht erwartet, sind hoch.
Wer hier mit dem Familienscheckbuch nur ein Ersatzstudium in der Not – böser, böser NC – hinwerfen möchte, wird scheitern. Womöglich sogar dramatisch, im Knast.
Wer sich unserer, durchaus sympathischen Ostsee-Republik, öffnet und sich auf das Leben einlassen möchte, der (m/w/d) kann hier eine große Zukunft als Arzt beginnen.
Doch von der „Bundesrepublik“ sollte man hier besser nichts mehr erwarten. Willkommen in Lettland. Gott schütze Lettland!
Du hast das gelesen? Dann herzlich willkommen in Lettland – und bis zum nächsten deutschsprachigen „Stammtisch“, dessen Termine im Pop-up Format über die nachfolgenden Kanäle viral angekündigt werden...
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