Fr. Okt 18th, 2024

Das Leben in Petropawlowsk, Gespräche, Begebenheiten und Informationen.

Das Titelbild zeigt das Gebäude der KPD dort ist auch ein Retrocafe untergebracht:

Auffällig ist dass hier in Petropawlowsk kaum wirklich alte Männer zu sehen sind, mitunter habe ich das Gefühl einer der ältesten Touristen hier zu sein.

Die Fahrzeuge in Kamtschatka sind mindestens zu 80% japanisch oft Rechtslenker aber man hat jetzt interessanterweise ein Einfuhrstopp für japanische Fahrzeuge verhangen welche eine gewisse Kubikzahl überschreiten. Das heisst im Klartext die großen dicken fetten Autos aus Japan können nicht mehr eingeführt werden, sondern nur noch die einfachen Klein- und Mittelklassewagen. Konstantin, der Kapitän von der Luxusyacht sagte mir nachdem Russland diesen Einfuhrstopp für japanische Autos mit großem Hubraum erlassen hat, das dann auf Kamtschatka es bald wie in Kuba aussehen wird mit all den alten abgewrackten Autos.
Ich sehe das etwas anders, Einfuhr von Kleinwagen erlaubt, große nicht, also ein Versuch den Kapitalismus in seinen wilden Blüten etwas einzugrenzen.
Allerdings können solche Beschränkungen leicht von Reichen umgangen werden es kostet halt ein bisschen mehr und dann importiert man eben Fahrzeuge aus Kasachstan oder Usbekistan, ob das Auto nun 150.000 € kostet oder 180.000 € ist denen doch eigentlich genau genommen scheissegal.
Überhaupt stellt sich die Frage wie man auf Dauer den ständig wachsenden Unterschied zwischen Arm und Reich stoppen kann oder bzw. rückgängig machen könnte. Denn auf Dauer führt diese krasse Ungleichheit zu Neid, Wut und Unruhen in der Gesellschaft und im Staat.
Statistisch gesehen sieht das Problem etwas anders aus der Lebensstandard insgesamt ist für die meisten Menschen zwar gestiegen, einige sind zwar überreich geworden, das Problem ist aber die Wahrnehmbarkeit des Unterschiedes. Aufgrund der heutigen Kommunikationsmittel sind wir in der Lage den Luxus der Reichen in Detail wahrnehmen zu können und auch mittlerweile in jedem verslumten Winkel der Erde, und genau das ist das Problem was dann Neid und dann irgendwann auch die Wut erzeugen könnte. Neben den neuen Einkaufsmeilen und modernen Geschäften

sieht es im Hinterhof oft so aus:

Sehr eigentümlich und Polarorientiert sind die Bushaltestellen:

Lenin darf natürlich auch nicht fehlen:

Das Hotel wird von einem Armenier betrieben dort befindet sich auch ein Fliesenleger aus Armenien der in der sommerzeit bis zum Herbst arbeitet und dann wieder nach Armenien zurück fährt. Er verdient immerhin ca 20 € pro Stunde da er ein Spezialist ist für Fliesen legen.

Eine Mikrobiologin aus Moskau macht Urlaub in Kamtschatka sie spricht erstaunlich gut Englisch und wir kommen ins Gespräch. Sie hat ein Stipendium für sieben Jahre von Russland finanziert um in Amerika zu studieren und den Magister abzuschließen. Jetzt ist sie wieder zurück und arbeitet in Moskau. Auf meine Frage ob sie denn nicht lieber in Amerika geblieben wäre sagte sie mir nein, sie mag die Kultur nicht, und auch die Werte der Amerikaner kann sie überhaupt nicht teilen. Die Landschaft ist zwar schön, aber das wars auch. Auf die Amerikanisierung in Russland angesprochen meint sie das im Moment viele Programme in Arbeit sind und schon funktionieren so z.B. keine Musikgruppen mehr unterstützt werden die amerikanisch-englische Texte singen, ebenso werden russischsprachige Fachartikel gefördert.
Aber angesprochen auf die Problematik, dass immer noch ein Großteil der Bevölkerung in Russland die ganzen amerikanischen Produkte konsumieren möchte, musste sie mir Recht geben dass aus diesem Grunde man nicht mit voller Härte versucht das Amerikanische aus Russland auszumerzen. Außerdem versucht Russland jetzt Abstand zu nehmen von dem amerikanischen Ausbildungssystem und wieder zurückzugehen zu dem alten System was in der Sowjetunion gängig war. Ebenso werden jetzt vermehrt Filme und Talkshows etc. in russischer Sprache gefördert um von der amerikanischen Seifenoper wegzukommen. Und die Qualität würde auch mittlerweile reichlich zunehmen.

Dann haben wir noch zwei Chinesen im Hotel die als Fremdenführer in Harbin arbeiten und etwas russisch können, aber kein Englisch, sie erkunden die Tourismusmöglichkeiten für Chinesen auf Kamtaschatka um später selber Touren anbieten zu können.

Interessant und politisch erstaunlich ist, das Russen bisher nach Südkorea ganz einfach mit einem elektronischen Visa bis zu 60 Tage einreisen können, die Kosten liegen etwas bei 40 EUR und die Möglichkeit wird von vielen Russen wahrgenommen, obwohl politisch ein Schulterschluss mit Nordkorea existiert.

Einen kleinen Ausflug mit Bus nach Thermalny gemacht.

Dort gibt es natürliche heiße Quellen die in drei Becken geleitet sind. 37, 25 und 14 Grad. Eintritt 4 Eur, Aufenthalt solange man will.

Neben dem Thermalbad eine kleine Siedlung und ein ganz großes neues Sportgelände mit neuer Sporthalle.

Dort gab es einen kleinen Stand wo Verkäufer neben Gemüse und Obst auch selbstgemachten Brombeerwein angeboten haben. Die Flasche sollte 1,80 € Kosten 14% alkoholgehalt ich habe probiert aber ich fand ihn nicht besonders brauchbar. Dafür habe ich die teuersten Erdbeeren meines Lebens gekauft, 4 EUR für den Plastikbecher, aber original aus Kamtschatka vom Privatgarten, schmeckten ganz gut.


Das Thermalbad allerdings noch vermutlich aus der Sowjet Zeit, unrenoviert.
Vermutlich war in der Nähe mal ein sehr großer Militärstützpunkt aus der Sowjetzeit es gibt reichlich Betonruinen. Man fragt sich nur was wollte man dort bezwecken noch nichtmals an der Küste irgendwo im Inneren des Landes. Dort sah ich auch einen Haufen Bärenscheisse:

Auf einer meiner kleineren Ausflüge frage ich einen jungen Mann nach dem Weg zum Meer, er spricht gut englisch und es stellt sich heraus das er ein Flüchtling aus der Ukraine ist, er schrieb mir später:

Freunde meiner Eltern kamen im Rahmen des Flüchtlingsumsiedlungsprogramms hierher, hier gab es sehr gute Bedingungen: Sozialleistungen, monatliche Essensrationen, kostenlose Herberge, aber das alles galt, bis sie die Staatsbürgerschaft erhielten. Um die Staatsbürgerschaft zu erhalten, mussten sie alles aufgeben, sodass sich die Flüchtlinge nach und nach an die neuen Realitäten gewöhnten. Nachdem meine Eltern die Geschichte ihrer Freunde gehört hatten, beschlossen sie, hierher zu gehen, aber wir traten dem „Flüchtlings“-Programm erst bei, als wir bereits in Kamtschatka waren, das heißt, wir flogen als normale Menschen hierher. Wir sind 2015 hierher geflogen, damals war ich 13 Jahre alt. Natürlich ist es besser, der Ferne Osten wird sich entwickeln, der gesamte Haupthandel wird hierher verlagert und so weiter

Irgendwie hat Kamtschatka Ähnlichkeit mit Lettland das Klima viel Wasser, Post Sowjet Gelände, sehr viel Grün nur die Berge gibt’s in Lettland nicht.
Auch hier eine unglaubliche Bautätigkeit im alten Zentrum außerhalb der Stadt, Straßenbau Kanalisation, Gebäude, teils sogar Restauration….

Die Preise für Produkte in Kamtschatka sind ca 10 bis 15% teurer als auf dem Festland das liegt daran dass doch sehr viele Produkte aus Wladiwostok importiert werden müssen das wiederum hat zur Folge dass alle Dienstleistungen und besonders die Exkursionen sehr teuer sind.

Hier ein paar Beispiele alles in Kilopreisen

Geräucherter Lachs um 20 €
Frischer Lachs der günstigste 5 €
Kaviar 75 €
Käse zwischen 7,5 und 10 €
Kartoffeln 1 bis 1,5 Euro
Tomaten vier bis fünf Euro
Äpfel 3,5 Euro
Mandarinen Apfelsinen Birnen um die 5 €
Einfache Wurst 5 €. Gute Salami 10 €
Fleisch um 10 €

Fotos vom grössten Markt auf Kamtschatka:

Einige haben hier Zweifel an der Zukunft Russlands aber es gibt auch andere Stimmen wie z.b Lena die Modedesignerin aus Zarow in der Nähe von Moskau welche sich speziell darauf konzentriert hat Kleidung und Mode zu bauen mit russischen Motiven und nach russischer Art. Sie waren in Amerika, dort konnte sie mit ihrem Englisch überhaupt nichts verstehen, sagte sie. Da die einen dermassen schlechten Slang sprechen. Auch mit den Werten und der Kultur Amerikas kann sie nicht viel anfangen. Sie möchte das Russland wieder eigenständig wird, mit eigenen Produkten und eigener Kultur. Über den Krieg mit der Ukraine fühlt sie tief im Herzen einen großen Schmerz, sie sagte sie kann darüber eigentlich gar nicht wirklich reden. Aber die Sanktionen würden Russland mehr nützen damit es eigenständig wieder Betriebe und Produkte aufbaut und nicht so abhängig bleibt von amerikanischen – europäischen Artikeln. Sie glaubt und wünscht eine Erneuerung von Russland und Selbstbesinnung auf die russischen Traditionen und Werte.

Dann eine Frau getroffen die sagte das sie bei der Wagner Armee arbeitet im Hospital, sie hatte eine entsprechende Jacke an mit den Symbolen, Kennzeichen darauf. Sie ist sehr begeistert von der Armee, ich sehe das etwas anders. Bei der etwas schwierig werdenden Diskussion kam der Administrator des Hotels dazu und warnte die etwas laute Frau, nicht weiter über Politik zu diskutieren.

Auch die Miliz ist fleissig tätig, wegen Falschparken wird ein Auto weggetragen:

Und natürlich wird symbolisch auch woanders für sinnlose Ordnung gesorgt:

Eine interessante Art ist hier, wie sie die Wäsche trocknen:

Eine Fahrt zum See Khalaktyrskoye

Ziemlich verlassen sieht die Gegend aus:

Aber es wird auch etwas Landwirtschaft betrieben:

Kunstmuseum?

Es stand Museum dran, war eigentlich aber nur eine Bilderausstellung auf 2 Etagen und mit 4 EUR relativ teuer für wenig Material. Folgend ein paar Bilder:

Das letzte Bild ist ein absoluter Widerspruch, die Gesichter passen in keinster Weise zu den so gut wie ausgetorbenen Ureinwohnern. Die sahen nämlich so aus:

Auch etwas deplaziert wirkt die Werbetafel für die Armee in einem Kunst-Museum

technisch durchaus hochwertig dieses Meerbild:

Jedoch auch Kitsch darf nicht fehlen:

Letztes Bild zeigt sehr anschaulich die Verwirrung unserer Zeit:

Auf dieser großen eurasische Insel leben immer noch viele Stämme, die sich heute Staaten nennen und an vielen Stellen sich immer noch wie im Mittelalter bekämpfen. Flugzeuge fliegen rund um die Uhr. Waffen werden in Hülle und Fülle gebaut und benutzt. Und die Atomraketen recken sich wie Pilze aus dem Boden. Gier und Neid jederzeit bereit sie loszulassen.
Wie armselig doch immer noch die Menschheit ist. Ihre Zahl ist zwar gewachsen aber die Qualität des Denkens und Handelns hat sich nicht wirklich geändert.

Im folgenden Teil 5 berichte ich von den Ausflügen, Exkursionen

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