Mi.. Juni 25th, 2025
„Feste, Kamerad!“, Foto: Anonymous – private collection of Wolfgang Sauber (Xenophon), Public Domain, Link

„Lumpenpazifismus“, „Entspannungs-“ und „Appeasementpolitik“ waren gestern. Militärische Tarnfarben und Hände an der Hosennaht sind wieder in. Strammstehen im Kasernenhof, korrekter Gruß gegenüber Ranghöheren und Marschieren im Gleichschritt sind wieder sexy. Büchners marschierender Tambourmajor dürfte Woyzeck, der heutzutage verachteter Hartz4-, Bürgergeld- oder propagandistisch sonstwie genannter staatlicher Leistungsbezieher wäre, die Marie mit seiner schicken Uniform wie anno dazumal wieder ausspannen. Die neue Lust auf Militärisches hat West und Ost gleichermaßen erfasst, in Deutschland verklärt als dringend erforderliche „Sondervermögens“-Maßnahmen zur „Sicherheit“ und „Verteidigung“, koste es rüstungskeynesianisch, was es wolle. Doch einige Länder setzen besondere Maßstäbe; da mag man an Nordkorea denken, laut Informationen von „Unser Haus“ weist auch Belarus den Weg in die waffenklirrende Zukunft (newshouse/de).

Die Webseite der belarussischen Opposition „Unser Haus“, die pazifistisch gesinnt ist, informiert auf ihrer Webseite, dass in ihrem Land sich militärpatriotische Clubs der zukünftigen Kriegstüchtigkeit von Vorschulkindern angenommen haben. Im Kindergarten Nr. 5 von Ostrowez sind Ausflüge zu Truppenstandorten selbstverständlich. Auch die 5jährigen sollen mal an eisernen Waffen fühlen; solch ein Sturmgewehr macht später im Internet berühmt, so manche Schule hat das leidvoll erfahren. Zudem wurden den Kleinen „außerbudgetär“ Uniformen angefertigt. Sie lernen Märsche und Soldatenlieder. Die Club-Mitglieder erteilen „patriotischen“ Unterricht und Lektionen in „Verteidigung“. „Unser Haus“ nennt dies eine „systematische Romantisierung von Krieg und Militärdienst“. Die „militärische Prägung“ werde „weiter normalisiert“: „Durch die Einbettung militärischer Elemente in die frühe Bildung stellt der Staat sicher, dass Militarisierung zu einem natürlichen und unhinterfragten Bestandteil der kindlichen Erziehung wird.“

Und der Staat ist in Belarus vor allem Lukaschenko; Polizeiliches und Militärisches dient der Stabilisierung von Herrschaft. In kapitalistischen Staaten, egal ob autoritär oder parlamentarisch regiert, droht Herrschenden von den Woyzecks dieser Welt Ungemach, wenn sie zuviele sind und ihre Frust und ihre Wut unbeherrschbar werden. Da empfiehlt es sich, die Underdogs einer Nation zu Soldaten zu machen. Gerade jene, die aufgrund ihrer sozialen Benachteiligung keinen Grund haben, die bestehende soziale Hierarchie mit der Waffe zu verteidigen, sollen dies tun. Marlen Hobrack erwähnt den US-amerikanischen Ausdruck „poverty draft“, einer Armutsfalle, die die Woyzecks nur entkommen, wenn sie sich für eine militärische Laufbahn verpflichten (freitag.de). Es sei eine Frage der Klassengerechtigkeit. Solch eine Rekrutierung sei nicht für jene jungen Männer attraktiv, „die gleich nach dem Abitur studieren wollen oder ein Auslandsjahr planen“. Wer hingegen keine Aussicht auf Ausbildungsplatz und gut bezahlte Arbeit habe, für den könne eine solche Dienstzeit attraktiv sein. In den USA verpflichten sich überproportional viele Schwarze und Latinos aus armen Haushalten. Etwa die Hälfte der GIs habe sich verpflichtet, um College-Kredite zu finanzieren.

In Belarus geht die Militarisierung so weit, dass Bewerber Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden, wenn sie nicht „gedient“ haben. In Deutschland dürften jene, die beim Rat race um die besten Plätze leer ausgingen, demnächst den Spruch zu hören bekommen: „Warum gehst du nicht zum Bund?“ Hobrack ahnt: „Vermutlich sind es nicht die Söhne des Lehrerehepaares, die den Bund als attraktiven Arbeitgeber betrachten. Das sollte man über all dem „Gleichheitspathos“ bei der Diskussion um die gesellschaftlichen Pflichten junger Menschen nicht vergessen.“

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