Do.. Aug. 14th, 2025

Die baltischen und europäischen Hauptstädte geben sich einer gefährlichen Fehleinschätzung hin: weder Washington noch Moskau sind wirklich an der Schlacht um die Ukraine interessiert. Der Krieg in Europa dient ganz anderen Zielen. Über diese verdeckte Agenda der Weltmächte wird ab dem 15. August in Alaska am Rande der Arktis verhandelt. Ohne die Europäer. Ohne Kiew. Dabei geht es um bis zu 15 Prozent der noch nicht ausgebeuteten Ressourcen der Menschheit für das 21. Jahrhundert. Davon kontrolliert Russland gut 50 Prozent in der Arktis, an die Alaska grenzt. Die USA wollen darauf partnerschaftlich zugreifen. Ein Albtraum für Tallinn, Riga, Vilnius.

Die Symbolik des möglicherweise über die Ukraine entscheidenden amerikanisch-russischen Gipfels ausgerechnet in Alaska, bis 1867 dem ehemaligen „Russisch-Amerika“, wird offenbar nicht mit der vollen Sprengwirkung für die NATO und für die Sicherheit in Europa erkannt.
Es gibt sowohl aus strategischer Perspektive Washingtons als auch Moskaus sehr gute Gründe, warum man sich genau dort trifft. Leider werden die in den westlichen Medien nicht wirklich ausgeleuchtet.
Darum also eine kleine öffentliche Notiz an dieser Stelle für die „neuen Baltendeutschen“ und ihre Freundinnen und Freunde in relevanten Behörden.

Was könnte aus Perspektive des Angriffskriege führenden Kreml also dermaßen interessant sein, um Mr. Trump den Weg zum Friedensnobelpreis zu ebnen und von den maximalen Eroberungszielen in der ehemaligen Ukraine und hinsichtlich des derzeit verbliebenen Kiew-Rumpfstaates (denken wir an Odessa und Charkow) Abstand zu nehmen?
Follow the Money. Am Ende des Tages geht es in der Geopolitik immer um die Sicherung und Kontrolle des Handels. Darum eroberte Dschingis Kahn Eurasien: er wollte, musste die Seidenstraße kontrollieren. Allerdings ist Geopolitik definitiv keine Stärke des deutschen Denkens.
Russland kann im „neuen kalten Krieg“, der ziemlich heiß ist, nicht weiter auf die Zuverlässigkeit der maritimen Handelsroute über die Ostsee und Nordsee zählen. Die Flottenbasis im Mittelmeer hat aufgrund der Instabilität Syriens nur wenig Wasser unter dem Kiel. Damit ist aber die Passage durch den Suezkanal zum reinen Glücksspiel geworden.
Gleichzeitig ist Russland nach 2022 nahezu vollständig abhängig vom China-Handel geworden. Das sind Volumina, die mit der Transsibirischen Eisenbahn nicht mehr abgesichert werden können. Zumal kritische Eisenbahninfrastruktur extrem anfällig für Sabotage und Drohnenangriffe ist.
Alternative Handelskorridore über den Iran und den indischen Ozean, um den Suezkanal zu umgehen, sind bestenfalls Projekte. Auch ist das zukünftige Regime in Teheran kaum absehbar. Ruckzuck mag der „kollektive Westen“ auch dort seinen Fuß in der Tür haben, fiele das Mullah-Regime.
Damit schlägt der Kompass auf die Entwicklung der Nord-Ost-Passage als Überlebensfrage für den russischen Staat im 21. Jahrhundert aus. Dieser durch den „Klimawandel“ nunmehr nahezu ganzjährig passierbare Seeweg hat gewaltige Vorteile. Sowohl wirtschaftlicher als auch militärischer Art. China ist an der Öffnung dieses maritimen Korridors entlang der Arktis ebenso interessiert wie europäische und amerikanische Reedereien. Eine solche Entwicklung der Nord-Ost-Passage kann aber nur durch Kooperation der arktischen Großmächte und Chinas gesichert werden.

In diesem „großen Spiel“ kommen Tallinn, Riga, Vilnius schlicht überhaupt nicht vor. Drängte Peter der Große noch nach Westen, um für seine neue Flotte eisfreie Häfen und den Zugang nach Westeuropa zu erkämpfen, richtet sich der Blick heute auf die arktische Region. Das versteht kaum jemand in Europa.
Möglicherweise noch ein, zwei Experten in Oslo, Kopenhagen, London. Sonst hat das niemand auf dem Radar. Die etablierten Medien schon gar nicht.
Dieses Informations- und Denkdefizit erklärt auch die „Fassungslosigkeit“ über die Aspiration des „dummen“ Trump hinsichtlich Grönlands. It’s the Arctic, Stupid. Für den profitablen Zugang würden unsere amerikanischen Freunde, ohne die „NATO“ nicht mal ansatzweise denkbar ist, nicht nur Kiew ohne mit der Wimper zu zucken fallen lassen.

Karikatur zum Alaska-Gipfel

Der militärische Radar ist bereits scharfgeschaltet. Die Basen um die Arktis sprechen ihre eigene Sprache. Russland dominiert hier den Zugang. Die USA haben nicht den Hebel, den sie gerne hätten. Darum muss man sich einigen. Es geht um Rohstoffe, Energie, Wohlstand für Jahrzehnte – bis in das 22. Jahrhundert hinein. Darum treffen sich die großen Jungs in Alaska. Ohne die Europäer.

Gelänge es Washington nicht, mit Zustimmung Moskaus, irgendwie auf Grönland zuzugreifen (ein Horror für Kopenhagen und Brüssel), säßen die U.S. Boys mit ihren Rohstoffunternehmen am eiskalten Katzentisch. Militärische Zugänge sind aufgrund der Dichte der russischen Garnisonen in der Region und aufgrund der Fähigkeit Russlands, diese und zukünftige Stützpunkte mit nuklearer Energie zu versorgen, beispielsweise über das erste Schiff seiner Art, die „Akademik Lomonossow“ (seit 2019), kaum effektiv gegeben. Washington braucht eine Einigung. Dagegen treten die Ukraine und Europa insgesamt in den Hintergrund. Man muss sich einigen. Das weiß Trump. Er will einen seiner „Deals“.

Was mag also die Zukunft für Grönland bringen? Diese kleine Blog-Notiz für die „neuen Baltendeutschen“ mag nahelegen, dass die Sicherheitsinteressen der baltischen Staaten enger mit Grönland und der Arktis verknüpft sind, als mit Kiew und dem Schwarzen Meer. Eine Feinjustierung der Risikoabschätzung sollte bereits vor dem 15. August angezeigt sein.
Ins große Lagebild passt auch, dass beide Weltmächte emsig bemüht sind, vor dem Alaska-Gipfel und seinen nachlaufenden diplomatischen Formaten die eigene arktische Verhandlungsposition vorteilhaft auszubauen. Der Kreml setzt auf militärischen Druck gegen den „kollektiven Westen“ auf dem ukrainischen Schlachtfeld. Die Lage im Osten der Ukraine, der nun ehemaligen Ukraine, erscheint für Kiew, EU, NATO aussichtslos. Über das Wochenende soll sogar ein bis zu 10 km breiter Frontabschnitt im Donbass zusammengebrochen sein (Pokrowsk-Konstantinowka). Bewahrheitet sich das in den kommenden Stunden, wonach es derzeit aussieht, entwickelten sich daraus operative Möglichkeiten für die russische Armee bis weit in die Zentralukraine hinein. Das wäre massivste Verhandlungsmasse. Da die Trump-Administration kein eigenes, zweites „Afghanistan“ als Fiasko erleben will, muss Washington nun endgültig den europäischen Kriegsschauplatz verlassen.
Vice versa gilt zum Nachteil der russischen Position, dass jedes Ereignis die eigene Verhandlungsmacht schwächt, dass den effektiven Zugang zu den weiten arktischen Territorien, derer man sich rühmt, befähigt. Ein Schelm, der nun einen Anreiz für mehr oder weniger verdeckte Operationen unserer amerikanischen Freunde erkennen möchte, um vor dem 15. August Moskau arktische Schmerzen zuzufügen. Blub.

Wir dürfen im obigen Kontext und zum gezeigten Bild (jenes aus russischen Quellen vom Wochenende in St. Petersburg) zitieren:
„Der Schlepper Kapitan Ushakov, der eine bedeutende Rolle in Russlands militärischer Präsenz in der Arktis spielen sollte, ist am 9. August im Hafen von St. Petersburg gesunken. Das Unglück ereignete sich, als das Schiff während der Endausrüstung an der Baltischen Werft kenterte. Trotz intensiver Bemühungen, das Sinken zu verhindern, konnte die Katastrophe nicht abgewendet werden.
Die Kapitan Ushakov war als erster Schlepper der Projekt-23470-Klasse für die Nordflotte vorgesehen. Diese Schiffe sind speziell für den Einsatz in den rauen Bedingungen der Arktis konzipiert und sollten die Versorgung der Marinebasen auf der Kola-Halbinsel sowie entlang der Nordostpassage sicherstellen. Der Verlust dieses Schiffes stellt einen erheblichen Rückschlag für die russische Marine dar, die ihre Präsenz in der strategisch wichtigen Region verstärken wollte.“

Weniger Russen-Schiffe, weniger Kreml-Arktis, mehr Kiew?

Wenn auch die Ursache für dieses sehr im aktuellen Interesse Washingtons liegende „Unglück“ unklar bleiben wird, so ist offenkundig, dass begrenzter Zugang der russischen Flotte zu den geographisch überdehnten Arktis-Stützpunkten des Kremls die Verhandlungsposition der USA sehr zu stärken geeignet ist. Das Fiasko der „Kapitan Ushakov“ am Wochenende auf der baltischen Werft in St. Petersburg ist vor dem Alaska-Gipfel jedenfalls ein Fanal. Da reicht kein noch so erfolgreicher Drohnenangriff der Ukraine gegen russische Ziele heran. Ein Ereignis, dessen Auswirkungen auf die anstehenden Verhandlungen in Alaska kaum jemand im Periskop hat. Ebd.:
„Die Bedeutung der Kapitan Ushakov für die russische Arktisstrategie war erheblich. Laut einem Bericht der staatlich kontrollierten Zeitung Izvestia sollte das Schiff nicht nur die Navigation unterstützen, sondern auch bei Bedarf Materiallieferungen zu abgelegenen arktischen Garnisonen übernehmen. Der Verlust des Schiffes könnte die Logistik und die strategische Planung der russischen Marine in der Region erheblich beeinträchtigen.“
Allerdings gilt entlang der hier notierten Hypothese, die man in den baltischen EU-Hauptstädten dringend bedenken könnte, dass ein größerer Verhandlungshebel für „Orange Man“ hinsichtlich der Arktis nicht unbedingt gut für die eigenen Sicherheitsinteressen in Europa sein muss.
Festzuhalten bleibt zum Ende der Analyse aber auch, dass der ausschließliche Fokus auf den Krieg in Europa, der natürlich den eigenen Sicherheitsinteressen Tallinns, Rigas, Vilnius‘ geschuldet ist, die hier vorgestellte Perspektive auf die zeitgeschichtlichen Ereignisse im Windschatten verschwinden ließe.
Dieser Wind ist aber ein arktischer Sturm.
Auch in Europa.

Die Ereignisse vor und nach „Alaska“ treiben jedenfalls Trends. Allein die politische Dynamik in Westeuropa hat deutlich zugenommen. Darauf wies U.S. Vizepräsident JD Vance anlässlich seiner historischen Rede auf der „Münchner Sicherheitskonferenz“ Anfang des Jahres hin.
Eine Vielzahl von westeuropäischen Regierungen wird von einer Mehrheit der Bevölkerung zunehmend als illegitim angesehen. Das betrifft auch die Ausrichtung der Ukraine-Politik.
Verstärkte Interventionen der USA treiben die Dynamik weiter.

„Regime Change“ in Berlin nicht mehr ausgeschlossen

Die oben dargestellte „Sonntagsfrage“ zum 11. August deutet auf einen Zusammenbruch der Kanzlerschaft des Friedrich Merz hin. Es könnte zu Neuwahlen kommen.
Dann wären entweder eine CDU/CSU Minderheitsregierung unter Duldung der derzeit einzigen Oppositionspartei „Alternative für Deutschland“ (AfD) oder eben auch eine Koalition CDU/CSU/AfD nahezu unausweichlich. Jedenfalls wären diese Szenarien 2025/2026 konkreter als jemals zuvor.
Das beträfe zum einen die Verteidigungsausgaben der „Bundesrepublik“ innerhalb der NATO. Zum anderen denken wir an die „Brigade Litauen“, die in Stationierung begriffen ist. Die „Bundeswehr“ soll an exakt dieser verwundbarsten Stelle des Bündnisses die Landverbindung über Polen in die baltischen NATO-Staaten schützen. Können wir uns darauf verlassen?

Von Bruck M. Kimmerle

Das erste Mal in den Baltics (Litauen) in 2003, seit 2006 geschäftlich und privat in Riga ansässig, seit 2007 Veranstalter, Organisator, Koordinator des Berliner Expertennetzwerks BALTISCHER DIALOG, seit 2024 Reaktivierung des länger als 2 Jahrzehnte bestehenden STAMMTISCH LETTLAND in Riga. Gott schütze Lettland!

Ein Gedanke zu „Alaska-Gipfel: Die Arktis entscheidet die Ukraine“
  1. Interessant! Von dieser Nummer habe ich ja noch gar nichts gehört!
    Ich habe nicht alles begriffen. Aber okay, es geht also um die Arktis. Weiterfahren und beobachten! Es bleibt spannend. Was soll heute eigentlich bei Merz‘ Online-Workshop rauskommen?

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