Mo.. Nov. 17th, 2025

Fans des Fußballclubs FK Karpaty Lwiw, Foto: fckarpaty.org.ua. CC BY 4.0, Link

Der lettische ÖRR-Radiosender LR1 bot am 16. November 2025 einem Asow-Kommandanten seine öffentliche Bühne (lsm.lv). LR1-Korrespondent Rihards Plume interviewte Arsen Dmitrik. Der Asow-Oberstleutnant gehörte zu den Verteidigern von Mariupol, wobei er von der russischen Armee gefangen genommen wurde. Er überlebte den Sprengstoffanschlag russischer Soldaten auf die Kriegsgefangenen in Oleniwka. Nach seiner Freilassung beteiligte er sich am Aufbau der Asow-Bataillone. Derzeit ist er Kommandeur des 6. Bataillons der 12. Brigade der „Spezialkräfte“ Asow. Er hat eine gute Presse. Forbes Ukraine nahm ihn in die Liste „30 unter 30“ der „Future Leaders“ auf. Für Dmitrik hat der Dritte Weltkrieg längst begonnen; er wünscht eine umfassende Militarisierung der Gesellschaft. Plume fragt nicht nach den rechtsextremistischen Hintergründen der Asow-Organisation, die nicht nur militärische Bedeutung hat.

Das ARD-Magazin Fakt wusste 2014 noch offen über den Rechtsextremismus der Organisation Asow zu berichten. Dass von tausenden Verletzten ausgerechnet einige Asow-Kämpfer vom Auswärtigen Amt ausgewählt wurden, um in Deutschland medizinisch behandelt zu werden, erschien damals noch als Skandal. Seit 2022 erweckt die westliche Presse den Eindruck, als ob sich Asow vom faschistischen Saulus zum demokratischen Paulus gewandelt habe. Doch an diesem Narrativ bestehen Zweifel. Wieso dieses Fakt-Video mit Altersbeschränkung versehen ist, bleibt schleierhaft.

Es ist mittlerweile in westlichen Leitmedien üblich, Asow-Soldaten als unpolitische Kämpfer darzustellen, die nur im Sinn haben, ihre Heimat zu verteidigen. Auch wenn Journalisten die Fragen nach Rechtsextremismus auslassen, bleibt das Gesagte solcher Asow-Vertreter problematisch genug. Dmitrik sieht den Globus bereits lange im Dritten Weltkrieg, der, wenn nicht „physisch“ eben „hybrid“ geführt wird. Dazu zählt er auch, dass die ukrainische Armee sich bis 2014 in einem desolaten Zustand befand, der von der ernormen Korruption verursacht worden sei. Wenn er dies als Teil des Hybridkriegs betrachtet, macht er Russland indirekt auch dafür verantwortlich. Dmitrik hält den Krieg, in dem seine Armee verwickelt ist, für einen Teil geopolitischer Auseinandersetzungen, an dem die Großmächte beteiligt sind. Das bedeutet aber nicht, dass er die Ukraine als Spielball und Opfer imperialistischer Interessen Russlands und der USA betrachtet. Statt dessen hofft er auf Einigkeit im westlichen Lager, um die Ukraine weiter mit Waffen zu versorgen. Jeder Soldat wünsche sich, nach Hause zurückzukehren. Doch seine Friedensforderungen erscheinen wie Lippenbekenntnisse. Denn er und seine Organisation halten am Endziel, sämtliche besetzte Gebiete zurückzuerobern, fest. Die Zeit spiele für die Ukraine; gleichzeitig gesteht er, dass Russland das genauso in dessen Sinne einschätze. Dabei räumt er russische Überlegenheit ein. Russland kann deutlich mehr Männer in die Schlacht schicken. Die ukrainische Armee ist durch Personalmangel geschwächt. Schritt um Schritt erobert die russische Armee die beanspruchten Oblaste. Die Durchhalteparolen Dmitriks klingen wie Pfeifen im Walde und bedeuten eine Verlängerung des Kriegs bis zur endgültigen Niederlage und das heißt: Noch viele Soldaten werden auf beiden Seiten sterben oder verstümmelt werden.

Frontbericht vom 16. November 2025 auf YouTube

Dmitrik glaubt, dass andere Länder von der Ukraine lernen könnten. Für ihn ist Krieg ein Dauerzustand, auf den er die Gesellschaft vorbereiten will. Die Bürger sollen wissen, dass sie einen Feind haben, auf den sie jederzeit vorbereitet sein müssten. Zunächst erwähnt er Werbekampagnen für die Rekrutierung und lobt, dass auch Lettland großformatig Soldaten in Kampfuniform auf Plakaten präsentiert. Zudem möchte er eine umfassende militärische Ausbildung und begrüßt, dass Lettland die Wehrpflicht wieder eingeführt hat. Das müsse sein. „Das ist eine der wichtigsten Reserven der Armee.“ Mit diesem „das“ sind offenbar die jungen Männer eines Landes gemeint, die sich für einen Nationalstaat opfern sollen. Die Kriegsbereitschaft soll bei den Kleinen beginnen und der Kampf wird an allen Fronten geführt. Er empfiehlt den Letten: „Wir müssen unsere Kinder so erziehen, dass sie jederzeit bereit sind, zu den Waffen zu greifen. Aber physisch zu den Waffen zu greifen ist nur eine Extremsituation. Denn man kann auch kulturell kämpfen, man kann auch mit Bildung kämpfen. Das nennt man heute hybride Kriegsführung. Auch das ist eine Kriegsmethode. Und daran müssen Sie hart arbeiten.“

Von der Ukraine gelernt? Lettisches Plakat zur Rekrutierung. Foto: Udo Bongartz

Die Gesinnung des Asow-„Patrioten“ Dmitrik ist mit westlicher, kapitalistischer Gesinnung durchsetzt. Zur Kriegsvorbereitung gehöre nämlich, dass sich die Unternehmen beteiligen. „Deshalb haben wir unsere Geschäftspartner mitgebracht, die Ihren Unternehmern aus ihrer Erfahrung zeigen, wie man für die Bedürfnisse der Armee arbeitet und Reformen durchführt.“ Die Einmischung des Staates bedauert er, weil er „ein langwieriges und groß angelegtes Spiel“ sei. Grundlage eines jeden Landes seien kleine und mittlere Unternehmen und Dmitrik behauptet pauschal, dass die Wirtschaft Frieden, Ruhe und Stabilität liebe, die im Krieg nicht gegeben seien.

Dass Asow-Befehlshaber von einem lettischen Journalisten nicht nach rechtsextremistischen Tendenzen in dessen Organisation befragt wird, überrascht nicht, denn es würde den Heldenmythos gefährden, mit dem westliche Medien die „Verteidiger von Mariupol“ umgeben haben (Vgl. bild.de). Dmitrik beschreibt Asow als große Familie, in der jeder willkommen sei. Asow biete eine häusliche Atmosphäre, wo man sich wohlfühle, sich sicher fühle, zwar nicht physisch, aber psychologisch und moralisch. Wer traumatisiert ist, werde von den besten Ärzten behandelt. „Wenn du leider stirbst, kannst du sicher sein, dass deine Familie und deine Kinder weiterhin versorgt werden – betreut, erzogen, ausgebildet und alles andere.“

Auf die Frage, wie er zu Asow gekommen sei, werden die Verbindungen zu ukrainischen Fußballfans deutlich. Er und seine Freunde seien Fans des Clubs FK Karpaty Lwiw. Als Russland 2014 die Krim besetzte, hätten sie beschlossen, sich Asow anzuschließen, weil diese Organisation auf „patriotischen Organisationen der Ukraine, Fußballfans, patriotische ukrainische Freiwillige“ basiere. Mit dem gemeinhin akzeptierten Begriff Patriotismus lässt sich der Ultranationalismus verschleiern und verharmlosen. Einige Presseberichte deuten darauf hin, dass der Lemberger Fußballclub eine gleichermaßen gewaltbereite wie rechtsradikale Fangemeinde hat. Die „Ultras“ des Vereins sind nicht links-, sondern rechtsradikal gesinnt. Ihre schwarz-rote Fahne steht nicht für Anarchismus, sondern für den Faschismus und Antisemitismus Stepan Banderas. Darüber wusste die taz im Jahre 2010 noch offen zu berichten (taz.de).

Auch Dmitriks „Freund und lebensfroher Oberst“ Denis Prokopenko, der einen großen Beitrag zur Reformierung von Asow geleistet habe, ist ukrainischer Fußballfan mit entsprechender Gesinnung. Die US-Zeitschrift The Nation schrieb über ihn am 13. Juni 2023: „Denys Prokopenko, eines der ersten Mitglieder von Asow, erklärte kürzlich seine Absicht, nach seiner Freilassung im Rahmen eines Gefangenenaustauschs wieder in den Kampf zurückzukehren. Im vergangenen Monat schrieb der Autor und Journalist Lev Golinkin einen Artikel für The Nation, in dem er berichtete, dass Prokopenko ein hochgelobtes Mitglied des White Boys Club ist – einer rechtsextremen Gruppe von Fans des Fußballvereins Dynamo Kiew –, die zuvor „Sätze wie ‚100 % weiß‘ und ‚88‘ (Code für ‚Heil Hitler‘), Lob für Holocaust-Täter und Waffen-SS-Insignien“ gepostet hatte. In demselben Artikel mit dem Titel „Die westlichen Medien beschönigen das Asow-Bataillon“ wies Golinkin auch darauf hin, dass Prokopenkos Zug das Totenkopf-Emblem verwendet habe.“ (thenation.com)

Mitglieder von ukrainischen Organisationen, die im Kern faschistisch sind, spielen sich als Berater des Westens auf. Ihre widersprüchlichen Angaben zu einem Krieg, der ohne massive Steigerung westlicher Rüstungshilfe und womöglich Einsatz von NATO-Truppen und unter Gefahr eines Atomkriegs nicht mehr zu gewinnen ist, werden journalistisch nicht hinterfragt. Dazu passt die Aussage, dass Dmitrik sich wünscht, mit den über 100.000 Männern zu arbeiten, die sich in der Ukraine vor der Armee versteckt halten. Will er auch ihnen sein tödliches Zuhause anbieten?

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